Sonntag, 27. Juni 2010

Teurte Verdachtsdiagnose

Es war der 16. März 2010. Michael Zimmermann, 22, wacht gegen 3 Uhr Früh in der elterlichen Wohnung in Wien auf. Der Student hat akute Atemnot. "Ich habe überhaupt keine Luft mehr gekriegt", erinnert er sich. "Ich bekam Panik, es ging mir wirklich schlecht."

Er greift zum Telefon - 144. Rund eine halbe Stunde später trifft die Rettungsmannschaft des Samariterbundes (ASB) ein. Zimmermanns akute Panikattacke legt sich allmählich. Die Sanitäter überprüfen Temperatur und Blutdruck. "Der Blutdruck war in Ordnung, ich hatte aber Fieber." "Vielleicht eine Kehlkopfentzündung", meint ein Sanitäter. (Später stellte sich heraus, dass sich Zimmermann eine schwere Bronchitis eingefangen hatte.) "Wenn Sie sich wieder hinlegen, passiert Ihnen nichts." Der Transport ins Spital sei nicht mehr nötig.
Ein Fehler. Denn Anfang Juni flatterte Zimmermann eine Rechnung über 275 € ins Haus. Gesandt vom Samariterbund. Und mit dem Zusatz: "Die Bezahlung der Kosten wurde von der Krankenkasse abgelehnt! Begründung: kein Krankentransport."

Da Zimmermann neben dem Studium bei einer Firma in Niederösterreich beschäftigt ist, ist er bei der niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK) versichert. Dort urgierte er auch die Bezahlung. In einem Schreiben von 15. Juni teilt man ihm seitens der NÖGKK aber mit: "Bezüglich des Rettungseinsatzes (...) muss ich Ihnen mitteilen, dass die NÖGKK im Zusammenhang mit Belassungen (es findet kein Transport statt) keine Transportkosten übernimmt."

"Die Wiener Gebietskrankenkasse hätte den Einsatz gezahlt", sagt Michaels Mutter Gabriele Zimmermann. "Niederösterreich ist zurückhaltender, die Wiener sind kulanter", sagt Alfred Holzner vom ASB Wien. Unterschiedliche Krankenkassen würden unterschiedlich verrechnen. "Vor allem bei Belassungen hat es in der Vergangenheit viele Probleme gegeben", ergänzt Rudolf Sowa, beim ASB für den Krankentransport zuständig.

Ein Mitglied einer nö. Rettungsorganisation spricht von einer "Perversion des Systems". "Die Krankenkassen sind von Sparfreude getrieben. Wir wissen im Vornherein nicht, was sie zahlen." Im Fall des Wiener Studenten zeige sich die "Perversion", meint der Niederösterreicher: "Wäre der Student ins Spital mitgefahren, hätte ihn ein Arzt behandelt. Dann wäre ein Rücktransport fällig gewesen. Das wäre die NÖGKK viel teurer gekommen." Außerdem hätten die Sanitäter Hilfe geleistet - es sei also kein unnötiger Hilferuf gewesen.

Seitens der NÖGKK liegt der Redaktion der Schriftverkehr vor. Freitagnachmittag war jedoch keine Stellungnahme mehr zu bekommen. Dennoch hat Michael Zimmermann Hoffnung: Er schaltete die Arbeiterkammer ein, die sich mit der NÖGKK in Verbindung setzte. Es scheint, als ob diese Intervention gefruchtet habe. Eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse sei nun doch möglich, heißt es seitens der Arbeiterkammer.