Die gelben Wagen mit dem großen roten Kreuz sind das Symbol für Hilfe in Notlagen - ob bei Unfällen, Bränden, Katastrophen oder wo auch immer Menschen verletzt werden. Sanitäter und Ärzte des Deutschen Roten Kreuzes eilen seit über 100 Jahren an jede Stelle der Uckermark, um Kranke, Verwundete oder Hilfsbedürftige zu versorgen. Die Organisation errichtete in Angermünde eine ihrer ersten Stationen in Brandenburg. Diese Ära geht jetzt zu Ende.
Mit der geplanten Kommunalisierung nimmt der Landkreis diese Aufgabe erstmals selbst in die Hand. Eine neue Gesellschaft soll alle Rettungsdienstmitarbeiter des DRK zwar weiter beschäftigen. Allerdings künftig mit einem neuen Haustarifvertrag. Das sorgt für Unruhe unter den 136 Sanitätern und Assistenten. Sie sind in Sorge über ihre Löhne. Denn niemand weiß derzeit, wie hoch die ausfallen.
Details zur Übernahme des Rettungsdienstes stehen ebenso wenig fest wie der Name des künftigen Geschäftsführers. Stattdessen trifft der Kreistag heute eine Grundsatzentscheidung. Er will damit eine öffentliche Ausschreibung der Leistung verhindern. Denn per Gesetz dürften sich eigentlich alle europäischen Anbieter an einem solchen Verfahren beteiligen. Aus Sorge vor der Konkurrenz und um die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten, sucht die Verwaltung den Ausweg nun in Form einer Eigengesellschaft.
Das trifft beim CDU-Kreisvorsitzenden Jens Koeppen auf Unverständnis. „Aus Angst vor dem Tod kann ich doch nicht Selbstmord begehen“, so der Bundestagsabgeordnete. „Eine Rekommunalisierung kann und werde ich so nicht mittragen.“ Stattdessen verlangt Koeppen eine „intelligente Ausschreibung“, so dass nur eine begrenzte Teilnehmerzahl Chancen hätte. Wettbewerb dürfe nicht ausgeschlossen werden. „Es kann doch nicht sein, dass Abfallbetriebe Altenheime bauen oder Stadtwerke irgendwann Friseurläden betreiben.“
Der Landkreis hat davon jedoch eine ganz andere Auffassung. Nach Einschätzung der Verwaltung kann eine eigene Gesellschaft den Rettungsdienst kostengünstiger als der freie Wettbewerb betreiben, sogar bei gleichbleibender Qualität. Das betrachten Fachleute mit einiger Skepsis. Denn obwohl Einsätze, Rettungswagen, Personal und Wachen mit jährlich rund 7,5 Millionen Euro zu Buche schlagen, bleibt unterm Strich kaum ein Gewinn übrig. Spielräume bieten lediglich Pauschalkosten für die Verwaltung. Wo also will man sparen? Mitarbeiter fürchten, dass ihre Gehälter dran glauben müssen.
Zurzeit existieren in der Uckermark zwei Rot-Kreuz-Strukturen. Die Rettungsdienst GmbH Uckermark West betreibt sieben Wachen im Raum Prenzlau und Templin. Der DRK Kreisverband Uckermark Ost lenkt drei Wachen in Angermünde, Schwedt und Gartz sowie die Nebenstelle in der PCK-Raffinerie. Wie die Übernahme aller vorhandenen Mitarbeiter, Gebäude und Technik erfolgen soll, muss noch gemeinsam mit der Kreisverwaltung geklärt werden. Gespräche dazu beginnen erst nach dem heutigen Grundsatzbeschluss.
Über diese Vorgehensweise wundert sich Dietrich Klein, Vorsitzender des DRK-Präsidiums Uckermark Ost. „Den Abgeordneten wird überhaupt nicht dargestellt, was anders werden soll. Es gab auch keine Gelegenheit, darüber in Ruhe zu reden.“ Wenn beispielsweise bei einer Ausschreibung die ehrenamtlichen Strukturen des Katastrophenschutzes berücksichtigt würden, hätten auswärtige Anbieter viel schlechtere Karten gegenüber den bewährten Strukturen.
Zudem besitzt das Rote Kreuz in Angermünde, Schwedt und Boitzenburg eigene Rettungswachen. Ebenfalls ein Wettbewerbsvorteil. Wie sie in die neue Gesellschaft eingehen, steht auch noch nicht fest. Möglich wäre ein Mietvertrag.
Beim DRK herrschen geteilte Auffassungen über den Verlust des Rettungsdienstes. „Uns geht ein wichtiger Leistungsbereich verloren“, sagt Carmen Drath, Geschäftsführerin der Rettungsdienst GmbH (DRK West). „Wichtig ist mir aber, dass unsere Kollegen sich keine Sorgen um die Qualität ihrer Arbeit machen müssen.“ Einer Umfrage zufolge würden allesamt ehrenamtliche Mitglieder des Roten Kreuzes bleiben.
Carmen Drath wechselt nicht zum Landkreis. Sie hält dem DRK weiterhin die Treue. Ebenso Detlef Viert, Vorstand des DRK Uckermark Ost. Auch ihm ist der künftige feste Arbeitsplatz seiner Kollegen wichtig. Sie behalten durch den Betriebsübergang für ein Jahr die gleichen Gehälter. „Mehr wird es anschließend mit Sicherheit nicht“, so Viert. Zudem fürchtet er um die Motivation des Ehrenamts. „Denn den Rettungsdienst kann man eigentlich nicht losgelöst vom Bevölkerungsschutz betrachten.“
Die Notärzte sind von der Neuregelung offenbar weniger betroffen. Sie werden von den Krankenhäusern gestellt. Das liegt jetzt schon in Verantwortung des Landkreises, der auch die Gebühren für den Rettungsdienst errechnet.
Ob es mit der Kommunalisierung nun gar zu Verschiebungen bei den Patientenströmen kommt, will niemand laut äußern. Allerdings gibt es Befürchtungen in Schwedt und Templin, dass eine kommunale Rettungsgesellschaft der kommunalen GLG (Gesellschaft für Leben und Gesundheit) mit ihren Krankenhäusern in Prenzlau, Angermünde und Eberswalde Vorteile einräumen könnte. Das dürfte bei Unfällen zwar auszuschließen sein, nicht aber bei der dringenden Verlegung von Patienten aus den Praxen niedergelassener Ärzte. „Ich halte diese Konstellation kommunaler Einrichtungen jedenfalls für sehr bedenklich“, warnt Jens Koeppen.
„Wir haben grundsätzlich mit dem DRK sehr gut zusammengearbeitet“, bestätigt Michael Jürgensen, Chef des Asklepios Klinikums Schwedt. „Wir gehen aber davon aus, dass der Landkreis für die gesamte Uckermark zuständig ist, und damit auch für alle Krankenhäuser.“
Quelle: Märkische Oderzeitung