Freitag, 30. Juli 2010

Schutzzeichen

Erst wurden Mädchen missbraucht, dann der Täter gedeckt: Ein Skandal erschüttert die Gemeinde Miehlen im Rhein-Lahn-Kreis. Der Vorstand des DRK-Ortsvereins beschwichtigt - jetzt solle erst mal wieder Ruhe einkehren.

Miehlen. (za) Der 2000-Einwohnerort Miehlen (Rhein-Lahn-Kreis) ist am Tag eins, nachdem die Rhein-Zeitung Missbrauchsfälle im DRK-Ortsverein öffentlich gemacht hat, in einer Art Schockstarre. Die Menschen sind völlig überrascht, dass der 36-jährige Bereitschaftsleiter im Rahmen von DRK-Ausbildungen Mädchen sexuell missbraucht haben soll. Der rührige DRK-Ortsverein mit seinen rund 350 Mitgliedern und der Vorstand um Gerhard Groß genießen hohes Ansehen. Ungeheuerlich ist nicht nur der konkrete Verdacht, dass mehrere Mädchen sexuell missbraucht worden sind, ungeheuerlich ist auch, wie Ortsverein und Kreisverband mit dem Fall umgehen. Wochenlang wurde offenkundig versucht, die Vergehen unter den Teppich zu kehren. Vertuschen statt Aufklären. Vereins- und Familienklüngel deckten den mutmaßlichen Täter und bestraften zumindest ein Opfer.


Der Verdacht: Die Schwiegereltern des Beschuldigten - beide gehören dem Vorstand des Ortsvereins an, die Frau saß zusätzlich als Kreisjugendleiterin im Vorstand des Kreisverbandes - wollten ihren Schwiegersohn schützen. Der Vorsitzende des Ortsvereins, Gerhard Groß, dementiert dies noch gestern in deutlichen Worten: "Bei uns wurde nichts ausgesessen und auch nichts verschleppt und vertuscht."

Doch warum hat das Miehlener DRK einem missbrauchten Mädchen den Zutritt zum Verein verwehrt und zunächst am Beschuldigten festgehalten? Groß beantwortet dies so: "Das Mädchen, das Anzeige erhoben hat, haben wir genau wie den Beschuldigten freigestellt" - eine Gleichbehandlung von Opfer und Täter, die vielen zynisch erscheint.

Lange keine Reaktion des Kreisverbands

Ein Brief, der der Rhein-Zeitung vorliegt, beweist dies: Bereits am 12. März hat der Miehlener Vorstand beschlossen, dass die Jugendliche als "Jugendrotkreuz-Mitglied sowie als Mitglied des Aktiven Dienstes bis auf unbestimmte Zeit freigestellt wird". Der mutmaßliche Täter durfte wesentlich länger in Erscheinung treten. Erst am 16. April stoppte der Landesverband entschlossen das Treiben des Bereitschaftsleiters. Die Limburger Rechtsanwältin Claudia Lauber, die die Jugendliche vertritt, ist fassungslos: "Ich bin entsetzt, wie im DRK Miehlen und im Kreisverband Missbrauchsfälle vertuscht werden sollten. Auf meine Schreiben vom 5. März, 17. März und 7. April an Ortsverein und Kreisverband habe ich keinerlei Reaktion bekommen. Erst am 14. April hat der Kreisverband reagiert und mir den Erhalt der drei Schreiben bestätigt." Der Vorsitzende des Kreisverbandes, Reinhold Schmitt, begrüßte in diesem Brief, dass der Fall bei der Staatsanwaltschaft sei und er den Landesverband informiert habe. Dieser reagierte umgehend: Die sofortige Beurlaubung des Bereitschaftsleiters wurde veranlasst, auch seine Schwiegermutter, die Kreisjugendleiterin, sollte ihr Amt niederlegen. Der Kreisvorsitzende Schmitt erklärte: "Ihr Amt ruht jetzt. Sie weigerte sich zunächst, weil sie keine Beschuldige sei, nur Schwiegermutter."

Der DRK-Ortsverein Miehlen wird scharf kritisiert, das gibt auch Groß zu. Gestern Abend traf sich der Vorstand. "Ich denke, wir müssen eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen und unsere Mitglieder informieren und dafür sorgen, dass wieder Ruhe einkehrt", sagt Groß der Rhein-Zeitung. Doch ob Groß, der seit 32 Jahren dem Vorstand angehört und seit 13 Jahren als Vorsitzender wirkt, das Miehlener DRK wieder in ruhiges Fahrwasser steuern kann, erscheint mehr als fraglich. Zu groß sind die Widersprüche, die auf Ortsverein und Kreisverband lasten.
Quelle:  Volksfreunde.de