Die Brandserie, die im April des Vorjahres begann und bis August des heurigen Jahres andauerte, hatte vielen Bewohnern Angst gemacht. Der Schaden wird auf 220.000 Euro geschätzt. Erleichterung, dass die Polizei nun einen Verdächtigen ausgeforscht hat, verspürt dennoch kaum jemand. Im Ort ist vielmehr Betroffenheit spürbar – darüber, dass einer von ihnen, den sie für einen netten Mitbürger hielten, seit Dienstagabend unter dem Verdacht der achtfachen Brandstiftung in Linz im Gefängnis sitzt.
„Er hat bei uns Haus gebaut, hat eine Frau und zwei kleine Kinder, die noch nicht in die Schule gehen“, sagt der Bürgermeister, der auch Hauptschuldirektor in Reichenthal ist: „Vielleicht habe ich ihn damals auch im Unterricht gehabt...“ Ortschef Jaksch ist zwar nicht bei der Feuerwehr, aber er fährt immer zu den Einsatzorten wenn die Sirene heult. „Das ist so in einer kleinen Gemeinde“, sagt er. Und einer der Feuerwehrmänner, den er bei Löscharbeiten häufig traf, war der 32-jährige Harald N. (Die Redaktion kürzt den Namen aus Rücksicht auf die Familie ab.)
Das war auch Polizisten aufgefallen. In monatelangen Ermittlungen trugen Leonfeldner Beamte mit Kollegen des Landeskriminalamtes Indizien zusammen. „Am Dienstag holten wir den Verdächtigen zum Verhör. Nach anfänglichem Leugnen gestand er“, sagt ein Beamter.
„Er war immer fleißig, aber er hat sich nie extra hervorgehoben. Für uns war nichts Verdächtiges erkennbar“, sagt der Reichenthaler Feuerwehrkommandant Andreas Gierer: „Wir sind alle schockiert. Er war ein guter Kamerad, hat nie etwas angedeutet, dass es ihm nicht gut geht, oder dass ihm etwas nicht passt. Wir sind auch privat öfter miteinander fortgegangen.“ Gemeinsam hatten sie auch gegen das Feuer gekämpft, das Harald N. gelegt haben soll: etwa beim Großbrand der denkmalgeschützten Scheune beim Schloss Waldenfels in Reichenthal Anfang August.
Zudem soll N. Müllcontainer angezündet und kleine Brände vor den Häusern von zwei Gemeindebürgern gelegt haben. Einer war sein Nachbar. „Personen waren nie in Gefahr“, sagt ein Polizist. Im Vorjahr brannte es sogar in der eigenen Gartenhütte des 32-Jährigen. Auch dieses Feuer soll er gelegt haben.
Quelle: ooeNachrichten
Psychiaterin im Interview: Verbündet mit der Macht des Feuers
LINZ. Was einen Feuerwehrmann zum Brandstifter werden lässt und was Menschen überhaupt dazu treibt, Feuer zu legen, erklärt die forensische Psychiaterin Heidi Kastner im OÖNachrichten-Interview.
OÖN: Frau Primaria, der Verdächtige konnte im Polizeiverhör kein Motiv nennen, meinte nur, er brauche psychiatrische Behandlung. Wie beurteilen Sie das als Expertin?
Kastner: Das sagen sie alle.
OÖN: Ja, aber was treibt einen Menschen dazu, Feuer zu legen?
Kastner: Die Pyromanie, die sexuell motivierte Lust am Feuerlegen, ist sehr selten. Einen Brandstiftungstrieb gibt es nicht. Am häufigsten werden diese Delikte von leicht kränkbaren und konfrontationsschwachen Menschen begangen. Da unterscheiden sie sich von anderen Delinquenten nicht sehr. Die meisten Brandstifter verbünden sich mit der Macht des Feuers und reagieren so ihre Kränkungen ab.
OÖN: Will ein Brandstifter jemandem etwas beweisen?
Kastner: Solche leicht kränkbaren Menschen wollen der Welt und auch sich selbst beweisen, dass sie nicht so bedeutungslos sind, wie sie von anderen vermeintlich wahrgenommen werden.
OÖN: Aber ein Feuerwehrmann ist doch schon bedeutsam, wenn er Brände löscht. Warum sollte er welche legen?
Kastner: Zum konkreten Fall kann ich nichts sagen. Den kenne ich schließlich zu wenig. Nur generell: Vielleicht waren ihm die Einsätze viel zu selten. Brände zu löschen ist viel aufregender, als Tag für Tag dasselbe zu tun.
OÖN: Wie häufig kommt es vor, dass Feuerwehrmänner zu Brandstiftern werden?
Kastner: Meistens sind Brandstifter keine Feuerwehrmänner. Es kommt nur gelegentlich vor, dass sich jemand über die Zugehörigkeit zur Feuerwehr und beim Löschen besonders wichtig fühlt, dass er eine Bedeutsamkeit erlebt, die er im übrigen Leben vermisst.
Quelle: ooeNachrichten