Warum es Selbstausbeutung im Sozialbereich schon immer gab und soziale Organisationen nicht auf mehr Spenden hoffen können, erklärt der Wissenschafter Christian Schober im Standard
Standard: Braucht man in Österreich soziale Organisationen?
Standard: Nun kann man argumentieren, dass das für kleine Vereine gilt. Rotes Kreuz und Caritas beispielsweise setzen hunderte Millionen Euro um. Sind die nicht schon zu weit weg von diesen kleinen Zielgruppen?
Schober: Nein, glaube ich nicht. "Das" Rote Kreuz gibt es ja beispielsweise nicht. Es gibt pro Bundesland eine juristisch unabhängige Organisation. Da ist niemand weisungsgebunden und jeder kann seine Themen einbringen.
Standard: Könnte man durch Zusammenlegungen nicht sparen? Beispielsweise gibt es über ein Dutzend Firmen in Wien, die Krankentransporte durchführen.
Schober: Ich glaube, dass das breite Angebot für den Kunden besser ist. Krankentransporte sind in Wahrheit ja Taxifahrten, die aber die Rettungseinsätze quersubventionieren. Ein einziger Anbieter würde bedeuten, dass die Rettungseinsätze teurer würden.
Standard: Könnte man die Finanzierung nicht verstärkt auf Spenden aufbauen?
Schober: Eher nicht. Wir haben in Österreich im internationalen Vergleich wenig Spenden, die oft behaupteten "Spendenweltmeister" sind wir sicher nicht.
Standard: Warum das?
Schober: Es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Einer davon ist, dass wir in einem kooperativen Wohlfahrtsstaat leben und die Bevölkerung die sozialen Dienste als Aufgabe des Staates sieht. Man ist daher bereit, Steuergeld dafür in die Hand zu nehmen, aber nicht extra zu spenden.
Standard: Der Staat hat weniger Geld, der Wettbewerb wird härter. Wenn es zu einer Ökonomisierung kommt - bedeutet das nicht gleichzeitig, dass weniger Zeit für die Klienten bleibt, etwa bei der Heimhilfe?
Schober: Das ist schon immer ein Problem gewesen. Es ist eine gesellschaftliche Frage: Wie viel Zeit stelle ich für Pflege zur Verfügung? Es gab auch schon bisher Selbstausbeutung, bei der die Mitarbeiterinnen freiwillig länger gearbeitet haben.
Standard: Der Pflegebedarf wird absehbar steigen. Wie will man die zusätzlichen Arbeitskräfte rekrutieren? Die Entlohnung ist niedrig, das Sozialprestige nicht unbedingt hoch.
Schober: Hart gesagt, es gibt auch Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Bei schlechter Wirtschaftslage ist ein fixer Arbeitsplatz ein Anreiz. Und durch den steigenden Bedarf werden möglicherweise auch die Löhne nach oben gehen. Und wenn immer mehr Menschen Pflegebedürftige in der eigenen Familie haben und erleben, was geleistet wird, wird schließlich auch das Sozialprestige steigen.
Zur Person
Christian Schober (35) ist Leiter des NPO-Institutes an der Wiener Wirtschaftsuniversität. 1996 als Verein gegründet, beschäftigt es sich mit Auftrags- und Grundlagenforschung im Non-Profit-Bereich.