Montag, 2. August 2010

Fehleinschätzung: Arzt wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht

LINZ. Drei Monate bedingte Haft erhielt gestern ein Linzer praktischer Arzt wegen fahrlässiger Tötung: Der Mediziner hatte ein zweieinhalbjähriges Kind in seiner Wohnung behandelt, obwohl er für den vorliegenden Notfall nicht entsprechend ausgerüstet war. Das Urteil ist rechtskräftig.

Richter Hermann Pichlmayer sagte gestern am Bezirksgericht Linz in seiner Urteilsbegründung, dass sich der Mediziner deswegen der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht habe, weil er die dramatische gesundheitliche Lage des Kindes nicht erkannt und falsch eingeschätzt hatte.


Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft: mangelhafte Diagnostik und Behandlung in der Wohnung, schlechte medizinischen Ausstattung, Abbruch der Wiederbelebung in der Wohnung und der Transport ins Krankenhaus im Privatauto des Arztes.

Verteidiger Andreas Mauhart hatte – wie exklusiv berichtet – am ersten Prozesstag und gestern vor dem Urteil in seinem Plädoyer auf Milde des Gerichtes gehofft: „Mein Mandant hat das Beste gewollt und das Schlechteste erreicht.“

Was war passiert? Knapp vor zwei Jahren hatten die Eltern des Buben nach dessen Hustenanfällen in der Nacht das Kind in der Früh zum Hausarzt gebracht. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Krankenhaus erklärt sich der Mediziner bereit, das Kind in seiner Privatwohnung zu untersuchen. Der Bub war Asthmatiker und hatte bereits vier Krankenhausaufenthalte wegen wiederkehrender Bronchitis hinter sich.

In der Arztwohnung geht es dem Kind zunächst nach Aussagen der Eltern und des Arztes gut. Der Praktiker tastet das Kind ab. Es bekommt ein von den Eltern mitgebrachtes Medikament. „Plötzlich hab ich gemerkt, irgendetwas passt nicht. Ich habe seine Atmung überprüft. Sie wurde flacher“, so der Angeklagte gestern vor Gericht. Das Kind habe noch geatmet, als Eltern und Arzt in das Auto stiegen, sagt später auch der Vater. Doch anstatt den Notarzt zu rufen, wird das Kind mit dem Auto ins Spital gefahren. Für den Zweieinhalbjährigen kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Wie die Obduktion ergab, starb der Bub an Ersticken durch Bronchitis, Asthma und Lungenschwellung.

„Das würde ich nicht tun“

Ob sie den Buben ebenfalls in der Wohnung behandelt hätte, wird eine Oberärztin der Kinderklinik gestern von Richter Pichlmayer gefragt. Sie war die erste Fachärztin, die den Buben im Spital untersuchte. Ihre Antwort: „Das würde ich nicht tun. Das hätte ich mir nicht zugetraut.“ Das Kind hätte auf alle Fälle Sauerstoff gebraucht, so die Ärztin. Auch ein Gutachten belastet den Angeklagten schwer.

Der Mediziner bekennt sich schließlich schuldig, worauf Richter Pichlmayer den Schuldspruch fällte.