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OÖN: 20 Tote und mehr als 500 Verletzte: Die Bilanz der Love-Parade in Duisburg ist so unfassbar. Was passiert da bei Massenveranstaltungen, dass es so weit kommen kann?
Grammer: Da müssen sehr viele Faktoren zusammenkommen. Wenn das zutrifft, entsteht Panik – deren Auswirkungen dann fatal sind.
OÖN: Wann genau tritt Panik auf?
Grammer: Das kann das gleichzeitige Auftreten von plötzlichem Lärm, hellem Licht, vielen unterschiedlichen Gerüchen, plötzlicher Bewegung und zu vielen Menschen sein. Dann versucht der menschliche Körper automatisch, aus dieser Stresssituation herauszukommen.
OÖN: Wie genau äußert sich dieser offensichtliche Kontrollverlust bei einem Menschen?
Grammer: Es kann Atemnot und das Gefühl auftreten, plötzlich keinen Halt, keine Bodenhaftung mehr zu haben. Dadurch wird das Paniksystem aktiviert.
OÖN: Und dieses vermeidet dann vernünftiges Handeln?
Grammer: Ja. In so einer Situation tendiert man zu mehreren, ungewöhnlichen Verhaltensweisen: Entweder man „friert“ regelrecht ein, bleibt einfach stehen oder man handelt total zufällig. Oft wird dann versucht, sich mit Hilfe der Ellenbogen Raum zu verschaffen. Häufig machen die Menschen aber dann das, was die anderen tun: gerade diese „soziale Nachahmung“ ist in einer Katastrophe das Schlimmste. Dazu kommt, dass man in der Menge das Gefühl hat, komplett alleine zu sein. Das verstärkt die Panik.
OÖN: Bei der Massenpanik am vorigen Samstag starben deutlich mehr Frauen als Männer. Gibt es da einen Zusammenhang?
Grammer: Fakt ist, dass der Frauenanteil generell die Anfälligkeit für Panik erhöht. Das kann damit zusammenhängen, dass Besucherinnen meist in Begleitung von Männern sind, die aus ihrem Beschützerinstinkt heraus dann schneller zu schlägern beginnen. Frauen sind auch nicht so kräftig. Sie können sich daher nicht genug Platz verschaffen und werden dadurch rascher niedergetrampelt.
OÖN: Welche Auswirkungen haben derartige Katastrophen für Überlebende? Immerhin müssen sie mit dem Gefühl leben, andere ungewollt zu Tode getrampelt zu haben...
Grammer: Das kann und wird natürlich psychisch nachwirken. Für viele Überlebende wird das in weiterer Folge sicherlich ein großes Problem werden.
Quelle: ooeNachrichten