Mittwoch, 3. August 2011

D: Freiwillige vor!

FreiwilligendienstBFD oder FSJ – Startprobleme beim Freiwilligendienst

Einen Monat nach Einführung des Bundesfreiwilligendienst (BFD) tritt dieser durch Startschwierigkeiten und Schuldzuweisungen in Erscheinung. Regierung und Trägerverbände weisen sich aufgrund zu weniger BFD-Bewerber gegenseitiges Versagen zu, vor allem das Familienministerium zieht Ärger auf sich. Dabei mangelt es wohl gar nicht an den Freiwilligen.

Noch klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Eine neue Kultur der Freiwilligkeit sollte das Angebot etablieren. Doch einen Monat nach seiner Einführung macht der Bundesfreiwilligendienst (BFD), der am 1. Juli an die Stelle des Zivildiensts getreten war, vor allem durch Startschwierigkeiten und Schuldzuweisungen von sich reden. Das Interesse ist gering, Verbände suchen händeringend nach Freiwilligen, die Träger und das federführende Bundesfamilienministerium halten sich Versäumnisse vor.
Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) etwa hat derzeit bundesweit rund 40 BFD-ler im Einsatz, weitere 40 haben vertraglich zugesagt. Die Zahl der Zivis hatte beim ASB zuletzt bei über 1000 gelegen. Der Malteser Hilfsdienst zählt etwas mehr als 200 BFD-ler, zuletzt waren dort etwa 1200 Zivis im Einsatz. Bei der Johanniter Unfall-Hilfe wurden bislang rund 170 BFD-Verträge abgeschlossen. Platz wäre für bis zu 1000 Freiwillige.

Nach wie vor populär ist das besser bekannte und inhaltlich weitgehend identische Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das sich allerdings nur an junge Menschen richtet, während der BFD allen offen steht. Bundesweit kommen derzeit rund 60.000 Bewerber auf 35.000 FSJ-Plätze. Für die ebenfalls 35.000 BFD-Plätze gab es zum Start im Juli nur 17.300 Freiwillige – den Großteil machten Zivis aus, die ihren Dienst freiwillig verlängerten.
Die Zahlen zeugen von einem schwierigen Start. „Wir hätten uns gewünscht, dass es noch mehr Interesse gegeben hätte“, sagt Johanniter-Sprecher Patrick Schultheis. Zum Ziel des Familienministeriums, 35.000 Bundesfreiwillige anzuwerben, sagt er: „Da bin ich skeptisch.“ Doris Siebold, die sich als Referatsleiterin beim ASB um Freiwillige kümmert, weist darauf hin, „dass der neue Dienst Zeit braucht, um sich zu etablieren und ein eigenes Profil zu entwickeln.“ Sprecher Klaus Walraff von den Maltesern hofft auf das Interesse der jüngsten Schulabgänger: „Nach dem Abi müssen die Leute erst mal durchschnaufen, jetzt melden sie sich.“
Wer ist schuld am Stolper-Start? Regierung und Trägerverbände weisen sich gegenseitig die Verantwortung zu. Der Ton ist gereizt, eine Telefonkonferenz zwischen Familienministerium und Verbänden mündete kürzlich in Schuldzuweisungen. Das Ministerium habe Testanrufe bei den Verbänden machen lassen und die Ergebnisse als „erschreckend“ bewertet, heißt es beim ASB. Die Stellen, so der Vorwurf aus Berlin, hätten fast ausschließlich für das FSJ geworben und nicht für den BFD. ASB-Geschäftsführer Christian Reuter warf dem Ministerium daraufhin vor, die Schuld für das geringe Interesse auf die Verbände „abzuwälzen“.
Seit einigen Tagen fühlen sich die Verbände vom Familienministerium zusätzlich unter Druck gesetzt. Um den Freiwilligendienst zu fördern, will das Ministerium Zuschüsse für das FSJ nur noch gewähren, wenn auf drei FSJ-Plätze mindestens zwei BFD-Plätze kommen. Die Verbände fühlen sich überrumpelt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Bayern etwa müsste nach eigenen Angaben nun die Zahl der BFD-ler binnen kurzem von 35 auf 400 steigern, um die Zuschüsse für die rund 600 FSJ-Leistenden zu behalten.
„Die Bundesregierung tut derzeit einiges dafür, dass der Bundesfreiwilligendienst scheitert“, kritisiert Vorstandsmitglied Margit Berndl vom Paritärischen Wohlfahrtsverband Bayern. „Sie reißt dabei auch das beliebte freiwillige Jahr in den Abgrund.“ Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) kritisierte den Schritt des CDU-geführten Bundesfamilienministeriums am Freitag als „absolut unverständlich“. Es setze die Einsatzstellen „unter Druck“.
Das Ministerium in Berlin weist die Vorwürfe zurück. Eine Sprecherin sagt, dass es für die einzelnen Bewerber ohnehin „keinen Unterschied“ mache, ob sie ein FSJ oder einen BFD absolvierten. „Wer also möchte, dass jede Freiwillige und jeder Freiwillige auch einen Platz bekommen, der muss sich darum kümmern, dass beide Dienste ausgewogen besetzt werden.“
Quelle: focus.de