Auftakt zum Jahr der Freiwilligen 2011: Bundespräsident Heinz Fischer eröffnet in der Alten Residenz in Salzburg. Rotkreuz-Präsident Fredy Mayer weist in seiner Rede darauf hin, dass förderliche Rahmenbedingungen nötig sind, um freiwilliges Engagement attraktiv zu gestalten:
"Für mich sieht es manchmal so aus, als ob die Freiwilligkeit in Österreich zum Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden wäre. Sie kennen das Phänomen: Wenn etwas gut organisiert ist und gut funktioniert, dann wird es zur Selbstverständlichkeit. Man nimmt es gar nicht mehr als etwas Besonderes wahr.
Diese Sichtweise ist aber gefährlich. Denn aktives zivilgesellschaftliches, freiwilliges Engagement braucht entsprechende Rahmenbedingungen. Nicht nur Auszeichnungen sind ein Zeichen von Wertschätzung gegenüber freiwilligen Helferinnen und Helfern. Sondern auch das Bemühen, ihnen ihre Tätigkeit nicht unnötig schwer zu machen. Diese Art der Wertschätzung ist in Österreich ausbaufähig.
Drei kurze Beispiele:
• Österreich hat im vergangenen Jahr als vorletztes Land Europas die steuerliche Absetzbarkeit von Geldspenden eingeführt. Das ist eine gute Sache. Analog dazu schlagen wir schon länger vor, auch eine Absetzbarkeit von Zeitspenden bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse einzuführen. Der „menschliche Kitt“ in der Zivilgesellschaft braucht nicht nur symbolische, sondern auch materielle Anerkennung. Auf diese Weise könnte die Regierung zeigen, dass sie zum Konzept der Zivilgesellschaft nicht nur in Reden und bei Ordensverleihungen steht. Sondern dafür auch konkrete Vorteile ermöglicht.
• Unternehmen sind auf Quartalsberichte als Steuerungsinstrument angewiesen. Was in Österreich fehlt, ist ein offizieller Bericht zur „Lage der Freiwilligkeit“ mit demselben Zweck. Er sollte alle zwei Jahre erscheinen, und nicht wie bisher nur alle zehn Jahre.
• Freiwilligenorganisationen leben auch von Geldspenden. Der Staat hat die Hoheit, Steuern von seinen Bürgern zu verlangen. Die Bevölkerung um Spenden zu bitten muss den Nonprofit-Organisationen vorbehalten bleiben. Wir lehnen es ab, dass Gebietskörperschaften oder staatliche Einrichtungen um Spenden werben, wie das immer wieder vorkommt oder vorgeschlagen wird.
Die Erfüllung von Forderungen wie diesen – und wir haben noch mehr davon – wäre ein Beitrag dazu, dass „Jahre der Freiwilligkeit“ nicht in Einmalaktionen endet. Darüber hinaus schlagen wir vor, dass verschiedene Stellen Tätigkeiten unterlassen, die dem freiwilligen Engagement schaden.
• Kürzlich wurde in Tirol überlegt, die 6-Euro-Euro-Essensgutscheine, die Freiwillige für eine 12-Stunden-Schicht erhalten, der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen. Ich brauche diesen Vorschlag wohl nicht weiter zu kommentieren.
• Die Kommerzialisierung ist ein weiterer Feind der Freiwilligkeit. Wir sehen an Beispielen aus ganz Europa, dass vor allem im Bereich der gemeinwohlorientierten Aufgaben der Marktmechanismus oft nicht gut funktioniert. Unterversorgung und Qualitätsmängel sind die Folge. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Freiwillige im Sozial- und Gesundheitsbereich eine gewisse Einstellung als „soziales Grundnahrungsmittel“ ständig dabei haben.
Um beim Beispiel des Roten Kreuzes zu bleiben: Sie können einen Patienten auf mehrere Arten nach Hause bringen. Eine wäre: „Wir sind am Ziel, Wiederschauen. Wenn Sie uns wieder brauchen, rufen Sie uns an.“ Es ginge aber auch so: „Wir bringen Sie jetzt in Ihre Wohnung. Brauchen Sie noch etwas? Sollen wir noch kurz lüften, die Heizung aufdrehen, ein Glas Wasser bringen? Haben Sie Milch zu Hause? Jemanden, der heute nach Ihnen schaut?“ Beide Services kann man bekommen. Das zweite sicher von Freiwilligen des Roten Kreuzes.
Um das freiwillige Engagement zu erhalten, scheint es nötig zu sein, seine Vorzüge, seine sozialen Hebeleffekte und die Wohlstandsgewinne viel stärker in den Vordergrund zu rücken. Und es muss klargestellt werden, dass es eben überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass in Österreichich alleine beim Roten Kreuz über 50.000 freiwillige Helferinnen und Helfer Tag für Tag dafür sorgen, dass die Rettung kommt; dass die Hauskrankenpflegeschwester kommt; dass rund um die Uhr ausreichend Blutkonserven für die Patienten aller Spitäler vorhanden sind, und so weiter.
Die besten Geschichten aus der Welt der Zivilgesellschaft werden offenbar nie erzählt. Wir selbst haben, um das zu ändern, schon einmal damit begonnen. Und in diesem Jahr sogar ein Staraufgebot dafür aufgebracht. „The greatest stories are never told“ – „Die größten Geschichten werden nie erzählt“ ist ein Musikstück, mit dem internationale Stars den Millionen freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Roten Kreuzes auf der ganzen Welt für ihr Engagement danken."
Quelle: Rotes Kreuz