Donnerstag, 24. Februar 2011

Fremdenfeindlich?

Ausländer sind bei der Freiwilligen Feuerwehr die absolute Ausnahme. Dabei könnten die deutschen Einsatzkräfte dringend Verstärkung gebrauchen. Experten überlegen nun, wie Feuerwehr und Rotes Kreuz attraktiver für Zuwanderer werden können.

Bei der Feuerwehr geht's gerade auf dem Land oft noch richtig urig zu: Die Kameraden kennen sich seit Jahrzehnten, man pflegt Traditionen und unterhält sich in breitestem Dialekt. Ausländer haben es da oft schwer, Anschluss zu finden, sagt der Kulturwissenschaftler Bernd Jürgen Warneken. Dabei könnten gerade Hilfsorganisationen wie Feuerwehr und Rotes Kreuz kaum noch auf den ehrenamtlichen Einsatz von Migranten verzichten: Denn jeder von ihnen hilft nicht nur gegen den Mitgliederschwund, sondern auch bei kulturellen Problemen, wenn eine ansonsten rein deutsche Feuerwehrmannschaft auf Ausländer trifft.

Wie viele Migranten sich bei den Hilfsorganisationen im Land engagieren, weiß niemand genau. Wissenschaftler vermuten, dass rund ein Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund bei Feuerwehr und DRK mitarbeiten – unter den einheimischen Deutschen sind es rund drei Prozent. Diese Zahlen seien auch ein Gradmesser dafür, wie schwach viele Einwanderer in Deutschland integriert seien, sagt Warneken, der gemeinsam mit einer Studiengruppe das Thema Migranten bei Hilfsorganisationen erforscht hat.

Orhan Bekyigit kann das nur teilweise bestätigen. Der 32-Jährige leitet die Werksfeuerwehr der Heidelberger Druckmaschinen AG und ist nebenher freiwilliger Feuerwehrmann in Wiesloch. Zur Feuerwehr kam der Sohn türkischer Einwanderer mit zwölf Jahren. „Die haben mich so aufgenommen, wie ich war“, erzählt er. Und die Kameradschaft habe ihm oft geholfen. „Bei der Feuerwehr wird geguckt, dass aus jedem was wird. Wir haben schließlich auch soziale Verpflichtungen.“
Vorbehalte auf beiden Seiten

Die Feuerwehr könne Migranten dabei helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden, ist Bekyigit überzeugt. Professor Warneken kann das bestätigen: Das soziale Netzwerk bei Feuerwehr und Rotem Kreuz mache Migranten die Integration leichter und helfe ihnen etwa bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Aber auch für die Arbeit der Feuerwehr seien Migranten ein echter Gewinn, betont der Wissenschaftler: „Zuwanderer können sich mit Kranken und Verletzten in ihrer Muttersprache unterhalten. In Berlin gab es schon Fälle, dass die Feuerwehr ein brennendes Haus evakuieren wollte und die Bewohner haben einfach nicht verstanden, was man von ihnen wollte.“

Trotzdem gibt es auf beiden Seiten nach wie vor Vorbehalte. Gerade auf dem Dorf seien Feuerwehr und Rotes Kreuz nicht selten eine abgeschottete Gruppe, in der sich alle schon lange kennen und aus demselben Milieu kommen, sagt der Experte. „Da erscheint es schwierig, als Neuankömmling einen Platz zu finden.“ Feuerwehrmann Bekyigit ist trotzdem überzeugt, dass das klappen kann: „Viele Migranten sind es aus ihrer Kultur gewohnt, sich für die Gemeinschaft einzusetzen.“ Der soziale Zusammenhalt bei der Feuerwehr übe auf viele eine besondere Anziehungskraft aus. Das Problem sei eher, dass viele Einwanderer gar nicht wüssten, was die Freiwillige Feuerwehr sei. „In den südlichen Ländern gibt es keine Freiwillige Feuerwehr. Dass jemand mitten in der Nacht aus dem Bett springt und im Einsatz sein Leben aufs Spiel setzt, ohne eine Gegenleistung zu erhalten, das kennen viele Migranten einfach nicht.“ Die Feuerwehr setzt deshalb vor allem auf Informationskampagnen. Und auch beim DRK in Baden-Württemberg werden wichtige Broschüren inzwischen auf Türkisch und Russisch veröffentlicht und Erste-Hilfe-Kurse in mehreren Sprachen angeboten.
Quelle: mainpost