Kommentar von Nikolaus Karnel
Am 20. Jänner darf sich die österreichische Bevölkerung erstmals bundesweit befragen lassen. Anlass für dieses Demokratie-Experiment ist die Debatte um die Wehrpflicht und deren mögliches Ende, um das jetzt von Befürwortern und Gegnern eine heftige Diskussion geführt wird. Die Regierung hat versprochen, sich an das Ergebnis der Volksbefragung zu halten, ist dazu jedoch rechtlich nicht verpflichtet.
Gegner der Wehrpflicht sprechen sich für ein professionelles Berufsheer aus, wobei sie nicht müde werden das Professionelle dabei zu betonen. Allerdings wird hierbei oft vergessen, dass wir bereits ein professionelles Berufsheer haben. Die Wehrpflicht selbst ist nur Teil des Systems. Jene Einheiten, die auf Auslandseinsätzen sind oder sich für solche bereithalten, sind bereits professionelle Berufssoldaten und -soldatinnen.
Dass sich die Qualität des Heers verbessern lässt, steht außer Frage. Aber dafür braucht es eine generelle Reform des Systems und nicht eine Abschaffung der Wehrpflicht. An den Missständen selbst trägt die Politik eine große Mitschuld, hat sie doch das Bundesheer in den letzten Jahren grob vernachlässigt: Den Wehrdienst hat man von acht auf sechs Monate verkürzt und somit in Kauf genommen, dass die Zeit für die notwendige Übung der Grundwehrdiener fehlt. Ein Profi-Heer, wie es der Verteidigungsminister fordert, zeichnet sich nicht dadurch aus, dass es aus reinen Berufssoldaten besteht, sondern vielmehr dadurch, dass es die notwendige Übung hat, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. In diesem Punkt muss ich unserer Innenministerin zustimmen: Ein Verband aus Hauptamtlichen ist nicht zwingend professioneller, als ein ehrenamtlich geführter, wie man am Beispiel der Freiwilligen Feuerwehren sehr gut sehen kann. Der entscheidende Punkt ist die Ausbildung und diese nimmt nun mal eine gewisse Zeit in Anspruch und kann nicht in einem Schnellverfahren durchgeboxt werden.
Auch scheint es mir, als sei den Befürwortern des Berufsmodells nicht klar, was für Kosten und Rekrutierungsprobleme auf uns zukommen würden. Dass ein Berufsheer wesentlich teurer kommt als von Verteidigungsminister Norbert Darabos angenommen, zeigen Erfahrungen aus den anderen europäischen Ländern. Dass wir uns Geld sparen, weil der Zivildienst wegfällt, stimmt auch nicht. Denn wir müssten diese Mittel ja verwenden, um das freiwillige Sozialjahr attraktiv zu machen bzw. den Rettungsdienst zu subventionieren, um die Lücken, welche die Zivildiener hinterlassen, durch Hauptamtliche zu ersetzen. Ob sich genügend Freiwillige für ein Berufsheer finden würden, ist auch fraglich. Denn der Minister scheiterte schon daran, für sein Pilotprojekt “Profi-Miliz für den Katastrophenschutz” genug geeignete Kandidaten zu finden.
Ein JA zur Wehrpflicht ist kein JA zu einem sinnlosen Zwangsjahr, sondern ein JA zu einem sinnvollen Dienst an der Gesellschaft, der jungen Männern die Möglichkeit bietet aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld auszubrechen und einmal andere Teile der österreichischen Gesellschaft kennen zu lernen. Somit hat der Wehrdienst auch eine starke sozialintegrative Bedeutung für unsere Gesellschaft und trägt zu einem besseren Zusammenleben bei. Gleichwohl dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass nichtsdestotrotz das System einer Reform bedarf. Zum einen müssen wir uns zu einem Heer bekennen und aufhören es stiefmütterlich zu behandeln, zum anderen müssen wir die Aufgaben, denen es nachgehen soll, auf einen aktuellen Stand bringen und uns von den Plänen des Kalten Krieges verabschieden.
Quelle: uebermorgen.at
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