Entscheid über Milizsystem oder Berufsheer
Im Vorfeld der Volksbefragung, in der über ein Berufsheer oder die Weiterführung der Wehrpflicht entschieden wird, sind heftige Kontroversen entbrannt. Das Plebiszit wird als wahltaktisches Manöver diskreditiert.
Österreich hat sich mit der in zwei Wochen abzuhaltenden Volksbefragung zur Weiterführung der Wehrpflicht oder Umstellung auf ein Berufsheer auf ein heikles Spiel mit der direkten Demokratie eingelassen. Denn die Ursprünge dieses umstrittenen Plebiszits waren nicht sachlicher, sondern parteipolitischer beziehungsweise wahltaktischer Natur.
In der Wiener Gemeinderatswahl vom Herbst 2010 wollte Bürgermeister Michael Häupl – mit tatkräftiger Unterstützung des Massenblatts «Kronen-Zeitung» – die erstmals wahlberechtigten Jungwähler mit der Aussicht auf Abschaffung der Wehrpflicht ködern. Dies bedeutete aber eine radikale Umkehr des bisherigen Milizheer-Dogmas der SPÖ. Denn die Sozialdemokraten, angeblich immer noch traumatisiert von den Bürgerkriegs-Ereignissen des Jahres 1934, als das Heer unter dem Kommando der christlichsozialen Regierung auf bewaffnete Sozialisten und – mit Artillerie – in Sozialwohnungen der «Gemeindebauten» feuerte, sahen in einer Milizarmee eine Garantie dafür, dass sich derartige Vorgänge nicht mehr wiederholen.
Nun ordnete Häupl, der starke Mann der SPÖ, gleichsam aus heiterem Himmel die dramatische Kehrtwendung an, und die Partei musste nolens volens mitmarschieren, vor allem der ohnehin eher glücklose Verteidigungsminister Norbert Darabos, der erst kurz zuvor feierlich proklamiert hatte, die Wehrpflicht sei «in Stein gemeisselt». Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat am Wochenende mit der Ankündigung für Aufregung gesorgt, entgegen der Parteilinie für die Weiterführung der Wehrpflicht einzutreten.
In der Konsequenz musste der Koalitionspartner, die Volkspartei, angeführt von Häupls Gegenpol in der ÖVP, dem mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, fast zwangsläufig die Gegenposition zur SPÖ einnehmen und das Milizsystem verteidigen. Dies, obwohl namentlich die ÖVP-nahe Industriellenvereinigung eine Berufsarmee für deutlich effizienter hält. Pröll argumentiert unter anderem mit der kostengünstigen Einsetzbarkeit der Milizsoldaten als Katastrophenhelfer. Das ist in dem immer wieder von Hochwasser heimgesuchten Niederösterreich ein zentrales Thema.
Aber das Land steht am Anfang des Superwahljahrs 2013 und befindet sich bereits im Wahlkampf-Modus, und dieses Plebiszit ist unverkennbar ein Teil der Wahlkampagne der Koalitionspartner SPÖ und ÖVP geworden. Beide Parteien, die bereits versprochen haben, das Ergebnis der eigentlich unverbindlichen Volksbefragung als Manifestation des «Volkswillens» umzusetzen, erhoffen sich Wählersympathien. Keine der beiden Parteien hat ein ausgereiftes Konzept für ihr bevorzugtes Modell präsentiert, und beide wetteifern mit hohlen Parolen – und, im Fall der SPÖ, einem «persönlichen» Brief an die Wähler in Wien und im Burgenland.
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