Landesfeuerwehrkommandant Wolfgang Kronsteiner im ooeNachrichten-Interwiew
LINZ. Die mehr als 90.000 Feuerwehrleute im Land bekommen am 1. Juni einen neuen Kommandanten. Der 55-jähriger Puchenauer Wolfgang Kronsteiner schwimmt in den eigenen Reihen auf einer Welle der Sympathie. Auf den Neuen wartet viel Arbeit – und auch Unangenehmes.
OÖN: Herr Kronsteiner, am Mittwoch wird der neue Landesfeuerwehrkommandant gewählt. Sie werden gewinnen.
Kronsteiner: Kunststück, ich bin der einzige Kandidat.
OÖN: Der Landeschef der Feuerwehren war bislang immer ein „ÖVP-Posten“. Dieses ungeschriebene Gesetz haben Sie durchbrochen.
Kronsteiner: Ich habe meine Einstellung, das stimmt. Aber das hat nichts mit meiner Funktion zu tun. Und meine Kameraden im Land sehen das auch so.
OÖN: Man hört, dass Sie kompetent und bei Ihren Kameraden sehr beliebt sind. Wie schaffen Sie es, in einem so sensiblen Bereich ein derart hohes Ansehen zu genießen?
Kronsteiner: Im Moment fühle ich mich sehr wohl dabei. So etwas mitzuerleben, ist etwas ganz Besonderes. Wenn Sie mich nach den Gründen fragen: Ich weiß es nicht. Ich war nie anders: Zugehen, akzeptieren, reden, tun, zupacken, keine Unterschiede machen. Die ganze Palette also. Nicht den Häuptling heraushängen lassen.
OÖN: Ein grader Michl?
Kronsteiner: Manchmal werde ich gewarnt: Pass auf bei dem und dem, sei nicht so blauäugig. Ich sage: Weißt was, ich bin immer gut gefahren damit, dass ich es so mache, wie ich es für vernünftig halte. Ich bin noch nie damit auf die Nase gefallen. Das Rezept dürfte also stimmen. Damit brauche ich mich nicht verstellen, und das ist angenehm.
OÖN: Wie sind Sie denn?
Kronsteiner: Helfen, unterstützen. Die Leute ernst nehmen. Ich bin serviceorientiert. Wenn du jemandem die Gelegenheit gibst, ernsthaft mitzureden, dann wird auch eine Lösung akzeptiert, die nicht exakt der eigenen Meinung entspricht. Das taugt mir halt.
OÖN: Sie fahren nie drüber?
Kronsteiner: Das ist nicht meine Art. Außer bei Einsätzen, da müssen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt fallen. Bei Entwicklungsfragen hat die Hierarchiekeule keinen Platz.
OÖN: Ein Mann ohne Abgründe?
Kronsteiner: Jessas na. Wenn mich jemand anschmiert, bin ich wirklich sauer. Ich gehe mit einem hohen Vertrauensvorschuss auf die Leute zu. Ich zucke da aber auch nicht aus. Richtig böse sein liegt mir einfach nicht.
OÖN: Freiwillige geben viel: Zeit, Einsatz, sie riskieren ihr Leben für andere. Was bleibt, ist der Dank. Aber der ist ganz wichtig, auch wenn sie sagen: War ja eh selbstverständlich.
Kronsteiner: Das ist entscheidend. Wenn einer tausendmal sagt, er braucht die Auszeichnung nicht – er braucht sie. Damit wird er erkannt und bewertet.
OÖN: Ihr Vorgänger war 20 Jahre im Amt: Was hat Johann Huber gut gemacht, was weniger?
Kronsteiner: Der Hans Huber hat unendlich viele Geschichten angepackt, hat natürlich von seiner Art her eine Innviertler Geradlinigkeit gehabt, die natürlich dort und da ihre Ecken gezeigt hat. So gesehen wird es einen Unterschied geben.
OÖN: Sie sind eher runder.
Kronsteiner: In jeder Richtung, ja ... Ich war jetzt zwei Jahre sein Stellvertreter, Tür an Tür. Es war eine Phase, da war er ganz offen und locker. Das war ein höchst kameradschaftliches Miteinander. Aber ich gehe davon aus, dass wir das eine oder andere aufgreifen werden. Wir haben den Prozess Zukunft Feuerwehr in Gang gesetzt, und da stehen viele Dinge an.
OÖN: Womit wir beim Thema sind. Was sind die Kernherausforderungen für die Zukunft? Sparen, Neue Leute aufstellen.
Kronsteiner: Leute gewinnen, sie halten und dann, wenn man sie braucht, zur Verfügung haben. Die Lebensgewohnheiten haben sich geändert, es wird schwieriger, Leute zu finden.
OÖN: Ein Feuerwehrmann sagt, wenn wir an einem Montagvormittag ausrücken müssen, sind wir froh, wenn wir fünf Leute im Auto sitzen haben.
Kronsteiner: So ist es. Wir brauchen also einen hohen Vorrat an Verfügbaren mit relativ hohem Ausbildungsniveau, damit ich zum Zeitpunkt x – der von Zeit und Ort her unerwartet kommt – ausreichend Leute zur Verfügung habe. So. Das ist die ganz einfache Herausforderung. Wir haben derzeit rund 90.000 Feuerwehrleute im Land. Viel mehr werden das nicht mehr werden.
OÖN: Sparen werden Sie in Zukunft auch müssen. In vielen Orten gibt es gleich mehrere Wehren: Zusammenlegungen wären sinnvoll, aber mit diesem Wort kann man schwer punkten?
Kronsteiner: Das ist eine Elferfrage.
OÖN: In Bad Leonfelden etwa gibt es fünf Feuerwehren, alle sind gut ausgerüstet.
Kronsteiner: Genau das ist ja die Herausforderung. Kooperationen gibt es. Ich bin so stolz, zu sagen, das müssen andere erst einmal zusammenbringen. Es ist überhaupt kein Thema, dass es Synergien zu nützen gilt. Etwa in der Ausbildung. Wenn es in einer Gemeinde mehrere Feuerwehren gibt, die nicht kooperieren, muss man schauen, dass sie es künftig tun werden. Die ganz heiklen Fragen, etwa die Feuerwehrhäuser oder das Reizthema Zusammenlegungen, damit muss man ganz behutsam umgehen.
OÖN: Wie?
Kronsteiner: Es brennt nicht beim Feuerwehrhaus und auch nicht, wenn die Leute verfügbar sind. Die Leute früher waren nicht dumm, wie und wo sie sich zusammengetan haben.
OÖN: Früher ist man mit Pferdefuhrwerken ausgefahren.
Kronsteiner: Jetzt schauen wir uns das an: Gestern ist in Urfahr eine Feuerwehr ausgerückt, die im Verkehr festgesessen ist. Die sind nicht mehr weitergekommen. Pferdefuhrwerk hin und her: Das Auto ist schneller, aber es kommt nicht weiter, weil es im Stau steckt.
OÖN: Wie sollen am Beispiel Bad Leonfelden die fünf örtlichen Feuerwehren vernünftigerweise zusammenarbeiten?
Kronsteiner: Da möchte ich wirklich nicht vorgreifen. Wie wir etwas machen, muss ganz am Schluss entschieden werden. Dass sich Einheiten spezialisieren sollen, da bin ich ein Verfechter. Bestehende soziale Strukturen, die eine Feuerwehr ausmachen, müssen gesichert sein.
OÖN: Eine große Herausforderung für Sie. Wenn Sie da von oben herab entscheiden, ist es mit der ganz großen Beliebtheit wohl schnell vorbei.
Kronsteiner: Ja, eh. Das würde nie funktionieren. Aber du kannst nicht jedem alles geben. In Strukturfragen muss man aufpassen. Manche hören ein reizvolles Modewort...
OÖN: Zusammenlegen ...
Kronsteiner: Das sind so Worte, die beim einen Effizienz verheißen, beim anderen Bedrohung auslösen. Da hat keiner was davon.
OÖN: Wann wird es Ergebnisse geben?
Kronsteiner: Ende September wollen wir uns positionieren, eine Struktur haben. Das wird ein ständiger Prozess werden.
OÖN: In den vergangenen Jahren sind Feuerwehrhäuser gebaut worden, die manche als Prunkbauten, als Paläste bezeichnen. Goldene Türklinken, riesige Mannschaftsräume. Hat man da übertrieben?
Kronsteiner: Es gibt ein anerkanntes Raumerfordernis, das geht nach einem Schema. Die Frage der Ausgestaltung ist ein Thema. Es gibt Architektenwettbewerbe, die machen Projekte, die geben unheimlich was her, schauen toll aus. Die Feuerwehr sagt, ich brauche einen Zweckbau. Das darf man dann nicht der Feuerwehr zum Vorwurf machen. Für die typische goldene Türschnalle gibt es oft einfache Erklärungen.
OÖN: Zum Beispiel?
Kronsteiner: Die hat oft gar nichts gekostet. Der Feuerwehrmann ist genau zu dem gegangen, der die Türschnalle erzeugt. Und der sagt: Die kann ich euch schenken. Da steckt viel Engagement und Improvisation dahinter. Das schaut gewaltig aus, hat aber nichts gekostet.
OÖN: Was war für Sie als Feuerwehrmann der bisher schwierigste Einsatz?
Kronsteiner: Ein Unfall, wirklich Auge auf Auge, ein Frontalzusammenstoß. Einen Lenker haben wir befreien können. Im Heck ist eine Mutter gesessen, mit ihrem acht Monate alten Baby. Das Bild habe ich noch immer. Die Mutter tot. Das Kind im Notarztwagen. Man versuchte, es zu reanimieren. Vergeblich. Da siehst du, das sind deine Grenzen, das musst du akzeptieren.
OÖN: Haben Sie selber schon einmal die Feuerwehr gebraucht?
Kronsteiner: Ernsthaft habe ich mich noch nie selber gebraucht.
zur Person
Wolfgang Kronsteiner (55) ist verheiratet und hat eine Tochter. Er arbeitet als Jurist bei der Arbeiterkammer, ist „stolzer“ Jagdscheinbesitzer und Jagdhornbläser. Seit 2009 war Kronsteiner Stellvertreter von Landesfeuerwehrkommandant Johann Huber. Dieser war am 14. April zurückgetreten. Am
1. Juni wählen 68 Bezirks- und Abschnittskommandanten ihren neuen Landeschef. Kronsteiner ist der einzige Kandidat.