Mittwoch, 4. Mai 2011

Kurpfuscher

Prozess gegen falschen Notarzt
Ein Deutscher gab sich als falscher Notarzt aus und fuhr 55 Einsätze. Eine Patientin starb, eine liegt im Wachkoma.

Polizist, Zivildiener, Schauspieler, Bestatter, Sanitätshelfer und Notarzt. Das sind nur ein paar der Jobs, die der 38-jährige Jörn P. im Laufe seiner Karriere ausgeübt hat. Sein letzter Arbeitseinsatz endete für eine Patientin tödlich, eine weitere liegt im Wachkoma - den Notarzt spielte er nämlich nur.
Am Montag musste sich der Deutsche in Wien unter anderem wegen fahrlässiger Tötung unter besonders schweren Umständen, Betruges und Kurpfuscherei vor Gericht verantworten.

Koma

Am 23. August des Vorjahres kam es zum ersten schweren Zwischenfall im Zuge seiner Notarzttätigkeit beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Nach einem Krankentransport bekam eine Pensionistin plötzlich massive Herz-Kreislaufprobleme. "Notarzt" Jörn P. will "den Fall bewertet, kontrolliert und bei der Reanimation geholfen" haben. Die Sanitäter sagten allerdings aus, dass P. nichts getan habe. Ein Arzt gab an, gar nicht gemerkt zu haben, dass P. Notarzt gewesen sein soll. Die Patientin liegt noch immer im Wachkoma. "Glauben Sie, dass Sie damals überfordert waren?", fragt Richter Stefan Apostol. "Nein."

Tags darauf der nächste Einsatz, diesmal mit tödlichen Folgen. Jörn P. gibt wieder an, die Situation im Griff gehabt zu haben. Die Patientin hatte massive Atembeschwerden, eine Intubation habe er für nicht für notwendig gehalten. Der Notfallsanitäter musste schließlich eingreifen und einen Venenzugang legen. Die Frau starb trotzdem im Spital.

"Können Sie überhaupt intubieren und Venenzugänge legen?", fragt der Richter. "Ja." Aber er habe es nie gemacht. P. war 55-mal als falscher Notarzt im Einsatz.

Nachdem der in Deutschland bereits 19-fach Vorbestrafte die Schauspielerei - er hatte Komparsenrollen in Schnell ermittelt oder Kommissar Rex, wo er einen Chefarzt spielte - wegen Erfolglosigkeit an den Nagel gehängt hatte, wollte er "mit einer regelmäßigen Arbeit Geld verdienen". Seine Wahl fiel auf Notarzt. P. meldete sich über die Ärztekammer bei einem 12-tägigen Notarztkurs an. "Ich musste dazu keinerlei Unterlagen vorlegen." Bei der ersten Theorieprüfung war er noch - "mit Bomben und Granaten", so ein Prüfer - durchgefallen, im zweiten Anlauf kam er durch. Mit diesem Notarztdekret und einem falschen Lebenslauf heuerte er beim ASB an.

Erst nach zwei Wochen wurde seine Approbation als Arzt verlangt, die P. schließlich auch vorlegen konnte. Eine Fälschung. Ein anonymer Hinweis brachte ihn zu Fall. Urteil am Dienstag.