Dienstag, 14. Dezember 2010

Freiwilligenmuffel - Je urbaner desto weniger freiwillig

In Wien wird Freiwilligenarbeit großgeschrieben: Über 40 Organisationen bieten die Möglichkeit zu helfen. Doch nur 35 Prozent sind freiwillig aktiv. Der Internationale Tag der Freiwilligen will heute helfende Hände ermutigen, mit anzupacken.

Während ein Innenarchitekt in einem Flüchtlingslager Trinkwasser herstellt, hilft eine Hausfrau pflegebedürftigen Menschen oder fliegt im Notarzt-Hubschrauber mit: Insgesamt bieten in Wien mehr als 40 Organisationen die Möglichkeit, freiwillig zu helfen.

Ihre Dachorganisation, die "Helfer Wiens", bündeln 30 davon im "K-Kreis". "Dieser ist weltweit ein einzigartiges Symbol für die Kooperation der freiwilligen und beruflichen Hilfs- und Einsatzorganisationen in einer Millionenstadt", erklärt "Helfer Wien"- Landesgeschäftsführer Wolfgang Kastel.

"Wer in Wien freiwillig helfen möchte, hat die Qual der Wahl", gesteht Kastel. "So finden sich im 'K-Kreis' sowohl die Wasserrettung, die Johanniter, Samariter, Naturfreunde, das Forstamt, das Rote Kreuz und die Bergrettung - die übrigens in Wien gegründet wurde -, um nur einige zu nennen."

"So trainieren die meisten Rettungshundeführer ihre Tiere in ihrer Freizeit und begleiten Einsätze nach Erdbeben oder Lawinen freiwillig. Auch bei der Wasserrettung sind Motorbootfahrer dabei, die eine Ausbildung gemacht haben und ihr Hobby zu einem freiwilligen Dienst für andere gemacht haben", meint Kastel.

Aber "die Zusammenarbeit zwischen freiwillig und nicht freiwillig macht die Qualität der Hilfe aus", so Kastel. Die konkrete Zahl der Freiwilligen könne er aber nicht schätzen. "Das wäre unseriös. Eine Auflistung gibt es nicht, aber jede helfende Hand mehr ist willkommen."

Freiwilligenarbeit ist unbezahlt und wird für Personen außerhalb des eigenen Haushalts erbracht. Unter formeller Freiwilligenarbeit versteht man Aktivitäten im Rahmen von Organisationen oder Vereinen. Informelle Freiwilligenarbeit oder Nachbarschaftshilfe, erfolgt ohne institutionellen Rahmen.

Besonders deutlich wird die Verbindung zwischen beruflich und freiwillig Aktiven bei der Wiener Feuerwehr: So gehören der Berufsfeuerwehr mit rund 1.600 Mitgliedern die beiden Freiwilligen Feuerwehren Süßenbrunn mit 26 Aktiven und Breitenlee mit 25 Feuerwehrmännern und einer Feuerwehrfrau an.

Auch das Wiener Rote Kreuz verlässt sich auf Freiwillige: Derzeit gibt es über 1.156 Helfer. Seit seiner Gründung im Jahr 1961 ist die Zahl der freiwillig geleisteten Dienste damit von 3.452 auf 23.582 im Jahr 2009 angestiegen.

Daneben erbringen die ausnahmslos unentgeltlich arbeitenden Mitglieder des Maltester Hospitaldiensts pro Jahr rund 100.000 Dienststunden, mitunter im Krankentransport, der Behindertenbetreuung und bei Wallfahrten mit Kranken und Behinderten.

Trotz der zahlreichen Einrichtungen zeigt ein Vergleich nach Bundesländern Wien als Schlusslicht:

Laut der Mikrozensuserhebung "Struktur und Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich" mit 9.360 Befragten aus dem Jahr 2006 - neuere Daten liegen nicht vor - sind die Wiener mit einer Quote von rund 35 Prozent selten freiwillig tätig. Spitzenreiter ist Oberösterreich, gefolgt von Tirol, Niederösterreich und Vorarlberg.

Insgesamt aber liegt das Arbeitsvolumen durch freiwillig Tätige, bezogen auf ganz Österreich, bei 15 Millionen Arbeitsstunden pro Woche. Damit könne Österreich "stolz sein auf seinen hohen Grad an freiwilligem Engagement", erklärt Sozial- und Arbeitsminister Erwin Hundstorfer (SPÖ).

Doch auch die Kehrseite der Medaille bleibt bestehen: Generell könne gezeigt werden, dass "die Zahl der formellen wie auch der informellen Freiwilligenarbeit gesunken ist", meint Eva More-Hollerweger von dem Institut für interdisziplinäre Nonprofit Forschung.

Um sie wieder zu steigern, feiert die Europäische Union im kommenden Jahr das "Europäische Jahr der Freiwilligenarbeit". Dadurch soll die Bedeutung von freiwillig verrichteter Arbeit hervorgehoben und dafür insgesamt elf Millionen Euro ausgeben werden.
Quelle: orf.at