Sonntag, 13. April 2014

Killer-Virus

Westafrika wird von einer beispiellosen Ebola-Epidemie heimgesucht.
Impfungen und Therapien gibt es nicht, weil sich Pharma-Firmen davon keinen Profit versprechen.

Conakry. Muskelschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Fieber, innere Blutungen: Wer sich mit dem Ebola-Virus angesteckt hat, dem bleiben meist nicht mehr als zwei Wochen. Neun von zehn Erkrankten sterben. Die Krankheit ist extrem ansteckend, es gibt weder Medikamente noch Impfungen - und sie breitet sich derzeit rasant in Westafrika aus. Guinea meldete zuletzt 101 Todes- und 157 Verdachtsfälle, im Nachbarland Libera starben zehn Menschen, auch Sierra Leone gab die ersten Toten bekannt. Im Sahelstaat Mali gibt es - vorerst - nur Verdachtsfälle.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von einer der schlimmsten jemals registrierten Ebola-Epidemien. "Ärzte ohne Grenzen" berichten, es habe Todesfälle zuerst nur im unwegsamen Süden Guineas gegeben, dann im Osten. Schließlich habe das Virus auch die Hauptstadt Conakry im Westen erreicht.
"Frühere Epidemien waren sehr viel stärker auf einen Ort konzentriert als diese", so der Tropenmediziner Michel Van Herp. Man sei zudem mit dem Zaire-Fieber konfrontiert, der aggressivsten Ebola-Variante. Dutzende WHO-Experten wurden entsandt, um der Lage Herr zu werden. Schätzungen gehen davon aus, dass es noch Wochen dauern könnte, bis Entwarnung gegeben werden kann.

Panik macht sich breit
In der Region macht sich Panik breit. Die Anrainerstaaten Guineas haben ihre Grenzen geschlossen, die WHO überprüft jeden einzelnen Passagier, der Conakry auf dem Luftweg verlassen will. Senegal und Mauretanien schicken trotzdem alle aus Guinea kommenden Flugpassagiere zurück. In Europa wächst ebenfalls die Nervosität: So hat Frankreich Ärzte und Flughafenpersonal zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen.

Für deutsche Virologen ist die Gefahr eines Übergreifens auf Europa allerdings überschaubar. Infizierte würden sehr schnell sehr krank und seien nicht reisefähig, heißt es hier. Zudem gebe es Isolierstationen für Patienten, die erst im Flugzeug "auffällig" werden.

Die Guineer selbst führen ein Leben im Ausnahmezustand. Die Seuche wird durch Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen, deshalb bleiben Taxis leer. Man gibt sich nicht mehr die Hand und deckt sich - wenn Geld vorhanden ist - mit Desinfektionsmitteln ein. Sanitäter und Ärzte tragen gelbe Ganzkörper-Schutzanzüge, Gummistiefel und Schutzmasken. Die Szenerie erinnert an den Hollywood-Shocker "Outbreak". Behörden sperren Wohnviertel ab und errichten Dekontaminierungskammern. Ein wütender Mob hat zuletzt ausländische Ärzte angegriffen - diese wurden beschuldigt, das Virus eingeschleppt zu haben. Wildfleisch ist verboten, vor allem die beliebte Flughund-Suppe. Flughunde gelten im Süden Guineas als Delikatesse, sie können aber auch das Virus übertragen.

Zu den ersten nachgewiesenen Ebola-Ausbrüchen kam es 1976 im Sudan und im damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Heute wie damals stehen Ärzte der Seuche hilflos gegenüber. Betroffene werden mit Wasser versorgt, damit sie nicht dehydrieren und damit sie unter Umständen Antikörper bilden. Transfusionen mit Blut, das Ebola-Antikörper enthält, haben sich in einigen Fällen als wirksam erwiesen.

Kein Geschäft
Für Mediziner zählt Ebola jedenfalls zu den weltweit vernachlässigten Infektionskrankheiten. Sie kommt außerhalb der Dritten Welt nicht vor. Für die Pharmaindustrie, die sich auf Zivilisationsleiden verlegt hat, eröffnet sich hier kein lukrativer Markt, in die kostspielige Erforschung der Seuche fließt daher so gut wie kein Geld. Der Radiokanal "Deutsche Welle" berichtet, dass GlaxoSmithKline als einziger großer Pharmakonzern in der Ebola-Forschung aktiv ist. Doch auch hier ist man nicht sehr weit gekommen, es könnte noch Jahre dauern, bis es die ersten greifbaren Resultate gibt. "Und selbst wenn eines Tages ein Mittel dagegen gefunden würde, sind die Gewinnaussichten fast nicht existent, weil die betroffen Länder dafür nicht viel zahlen können", weiß die Pharma-Expertin Jayasree Iyer.

Im Fall Aids liegen die Dinge anders. Mit über 35 Millionen Erkrankten weltweit ist es die am weitesten verbreitete Infektionskrankheit - und die Therapie zumindest in der westlichen Welt zu einem lukrativen Markt geworden, mit globalen Jahresumsätzen von gut 14 Milliarden Dollar.

Von Ebola hingegen sind seit der Entdeckung 1976 gerade einmal 10.000 Fälle bekannt geworden. Weil die Dschungel-Seuche die Infizierten in der Regel sehr schnell befällt und tötet, sind die Ausbrüche bisher lokal begrenzt geblieben. Pharma-Experten betonen, dass die Chancen, dass es jemals ein wirksames Ebola-Gegenmittel geben wird, schon deshalb ziemlich gering sind. Selbst wenn es einem Unternehmen gelingen würde, ein Ebola-Mittel zu finden: Dieses würde wegen der erwarteten geringen Fallzahlen nicht in ausreichender Menge nachgefragt werden.

Quelle: Michael Schmölzer Wiener Zeitung

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