Freitag, 3. Januar 2014

Hilfe macht sich breit

Auf dem Schlachtfeld von Solferino wurden im Jahr 1859 bis zu 30 000 Soldaten getötet oder verwundet. Die meisten starben nicht im Kampf, sondern später an den Folgen ihrer Verletzungen. Diese Erfahrungen veranlasste den Schweizer Henry Dunant, die Gründung von „Hilfsgesellschaften für Verwundete“ anzuregen. Sein Appell an das Gewissen der Welt, führte vor 150 Jahren, im Jahr 1863, zur Gründung des Roten Kreuzes. Vier Jahre früher als bislang angenommen, bereits 1866, fasste der Rot-Kreuz-Gedanke in Haßfurt Fuß. Die große Schlacht zwischen Bayern und Preußen bei Bad Kissingen, führte damals zur Gründung eines „Comites für Verpflegung verwundeter Soldaten“. Voraus ging ein Spendenaufruf des Bürgermeisters Josef Baumann.

Das Hilfskomitee war zeitweise vor allem eine Angelegenheit von Frauen, die sich rührend um die in Haßfurt liegenden Verwundeten kümmerten. Jeden Tag trafen Hunderte ein. Nicht Transportfähige wurden hier untergebracht, verpflegt und verbunden. Durchfahrenden reichte man Speisen und Getränke, „wofür Tränen des Dankes keine Seltenheit waren“, heißt es in einem Aufruf des Bürgermeisters. Als 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbrach, griffen in den Amtsstädten Haßfurt, Ebern, Eltmann und Hofheim Persönlichkeiten der oberen Bevölkerungsschicht den humanitären Gedanken Dunants auf.

Am 6. März 1870 etablierte sich in Haßfurt ein „Frauenverein zur Pflege und Unterstützung der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger.“ Kurz darauf entstanden Frauenzweigvereine in Hofheim und Ebern. In Haßfurt standen an der Spitze Christiane Freiin von Dietfurt (Obertheres), Elise Amberg, Eva Baur, Kathinka Hohmann, und Helene Kopp. Es folgte die Gründung von Männerzweigvereine in Haßfurt und Zeil. Die Zeiler Helfer erhielten später zum Dank sogar einige Siegestrophäen aus Frankreich zugesandt: zwei französische Gewehre, einen Munitionswagen, eine Ulanen-Lanze, einen Helm und zwei Trommeln. Im Haßfurter Wildbad und im Schloss Obertheres richtete man notdürftig Lazarette ein. Da es an Helferinnen fehlte, fanden hier die Frauen des Zweigvereins ein sinnvolles Betätigungsfeld. Wer nicht in den Lazaretten half, fertigte in Schulen und Rathäusern Verbandszeug.

Die Hilfsvereine entstanden in erster Linie aus patriotischer Pflicht. Im Haßfurter Intelligenzblatt hoben die Initiatoren hervor, dass es „eine nationale Schuld abzutragen gelte“. Es sei eine Ehrenpflicht, den in diesem „heiligen Kampfe“ stehenden Kriegern beizustehen. Ebenso gründeten Honoratioren der Stadt in Zeil ein solches Komitee für verwundete und durchreisende Krieger. In kurzer Zeit richtete dieser „Hilfsverein des Roten Kreuzes“ im Rathaus ein Lazarett für 20 Patienten ein. Frauen des Komitees sammelten aufgrund der patriotischen Stimmung erhebliche Mengen an Geld und Naturalien ein. Im Oktober 1870 lagen im Zeiler Rathaus sieben bayerische und vier preußische Soldaten. Vier Jahre vorher waren sie sich noch als Gegner bei Bad Kissingen gegenübergestanden. Insgesamt sind während der fünf Monate 57 Personen betreut worden.

Eine große Auswahl chirurgischer Instrumente, Apparate und Arzneien gab es nicht. In einer Aufstellung waren nur ein Katheter, eine Spritze, mehrere Uringläser, Speigläser, je ein Thermometer und eine Sitzbadewanne, zwei Luftkissen aus Kautschuk sowie Chlorkalk, Höllensteine (Ätzstifte), Eisenvitriol und Eisenzucker aufgeführt. Dafür mangelte es nicht an „Erquickungssachen“. Neben 150 Flaschen Wein und 2000 Maß Bier sind den Verwundeten 100 Flaschen „Liqueur“ und Branntwein sowie 6000 Zigarren und 100 Pfund Tabak verabreicht worden. Zeiler Bürger übernahmen unentgeltlich Kost und Verpflegung für die Soldaten im Lazarett.

Sogar das sächsische Königsberg, das im Jahr 1900 – vom örtlichen Kriegerverein initiiert – schon sehr früh eine Sanitätskolonne gründen sollte, fühlte sich verpflichtet, einen Beitrag zu leisten. Der Altershäuser Oberförster Popp lieferte außer Geld das Holz für die Beheizung des Saales im Rathaus. Mehrere wohlhabende Bürger stifteten Nachtstühle, Bettstätten und andere Einrichtungsgegenstände.

Im Bezirk Hofheim etablierte sich zeitgleich ein Zweigverein, dem 228 Mitglieder aus 36 Landorten (darunter Maßbach im Landkreis Bad Kissingen) angehörten. Außerdem hatten sich fünf Ärzte für das Heimatgebiet zur Verfügung gestellt. Im dortigen Krankenhaus wurden 15 Betten für ein behelfsmäßiges Lazarett bereitgehalten. Gründungsvorsitzende war die Frau des Oberamtsrichters Scherer, die ihr Amt aus Altersgründen erst 1908, nach 38 Jahren, niederlegte. In der Friedenszeit unterstützte der Verein Bedürftige mit Nahrung und Kleidung. Für Kinder fanden Weihnachtsbescherungen statt, Wöchnerinnen erhielten in den ersten 14 Tagen Suppen und Fleisch. In Aidhausen und Bundorf wurden im Jahr 1909 Kochkurse abgehalten.

Einige Akteure des nach dem Frankreichfeldzug aufgelösten Zeiler Hilfskomitees mussten zwei Jahre später erneut tätig werden, als in Zeil die Cholera wütete. Nach dem Krieg bestand die Aufgabe des Hilfsvereins „in der vollständigen Ausbildung von Krankenpflegerinnen, Übung und Erprobung in der Armenpflege, Auswahl und Ausrüstung eines Hilfskörpers tatkräftiger und rüstiger Männer für die Zwecke des Hilfsvereines im Krieg und Frieden“. Lange Zeit arbeiteten die Frauen- und Männervereine streng nach Geschlechtern getrennt.

Im Jahr 1877 rief das Rote Kreuz im Bezirksamt Haßfurt dazu auf, Geld und Verbandszeug für die Verwundeten der beiden kriegsführenden russischen und türkischen Heere zu spenden. Ausdrücklich wies man darauf hin, dass „die Vereine unter dem Roten Kreuz nicht von politischen Sympathien für den Einen oder den Anderen der Kriegsführenden geleitet werde“.

Das Sanitätswesen nahm vor allem seit der Gründung der Feuerwehren einen beträchtlichen Aufschwung. So ist 1888 von der Errichtung eines Sanitätsdienstes der Freiwilligen Feuerwehr Zeil die Rede. Hierzu wurden die beim aktiven Militärdienst ausgebildeten Sanitäter herangezogen. Militärisch ausgebildet worden waren sie während des 1870/71er Krieges gegen Frankreich. In Haßfurt und Zeil waren es auch Mitglieder der Turnvereine, welche Sanitätsdienste leisteten. Vielfach initiierten Turnvereine sogar die Gründung des Roten Kreuzes vor Ort.

Wiederum war der Ausbruch eines Krieges, die Triebfeder für eine Aktivierung des Rot-Kreuz-Gedankens. Nur wenige Wochen nach Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 riefen der Bezirksamtmann von Haßfurt und der dortige Bürgermeister die Bürger der Umgebung dazu auf, der beabsichtigten Gründung einer Freiwilligen Sanitätskolonne beizutreten. Doch mussten die Vorbereitungen wegen Ausbruchs des Krieges abgebrochen werden. In Haßfurt, Hofheim und Ebern etablierten sich dagegen erneut Rotkreuzfrauenvereine, welche die Soldaten im Feld mit Kleidungen, hygienischen Artikeln sowie Nahrungsmittel, und was sich sonst im Tornister einpacken ließ, versorgten. In Ebern war 1914 eine aus Männern bestehenden Freiwillige Sanitätskolonne gegründet worden. Während der Kriegsjahre organisierte der Frauenverein Haßfurt mit sämtlichen Verwundeten des hiesigen Vereinslazarettes einen Ausflug in den Steigerwald. Im Mai des letzten Kriegsjahrs 1918 traf in Haßfurt ein Sanitätszug mit 70 Verwundeten ein. Sie wurden in den beiden hiesigen Lazaretten im Central- und Wildbadsaal untergebracht und betreut.

In Hofheim existierte bereits im Jahr 1900 eine männliche Sanitätskolonne. Im Rot- Kreuz-Museum im Goßmannsdorfer Tor ist heute noch eine fahrende Tragbahre aus der Anfangszeit erhalten. In Ermangelung eines Rettungswagens sind die Sanitäter damals mit dieser sogenannten Handmarie durch Hofheim geeilt, um nicht gehfähige Kranke und Verletzte ins Krankenhaus zu transportieren.

Dagegen konnten in Haßfurt ehemalige Feldzugsteilnehmer erst im September 1923 eine Kolonne gründen. Über 40 Männer traten bei. 1927 kaufte man den überzähligen Krankenkraftwagen der Sanitätskolonne Schweinfurt. In Unterrichtsabenden wurden die Leute für ihren „hehren Beruf“ ausgebildet. Der nach dem Ersten Weltkrieg sich stark verbreitende Fußballsport erforderte auch Sanitäter für die unvermeidlichen Blessuren dieser damals als „roh und räuberisch“ gelten Sportart. 1932 verfügte das Rote Kreuz in Haßfurt neben dem Krankenkraftwagen ein Lastauto, eine fahrbare Tragbahre, fünf Krankentragen, fünf Scheinwerfer, vier Verbandstaschen, sechs große Verbandskoffer, einen Arztkoffer und sechs Einzelhelfer-Verbandstaschen.

Während des Dritten Reichs wurden – wie in Königsberg – Sanitätskolonnen oft dazu hergenommen, alte und gebrechliche Leute ins Wahllokal zu bringen, um eine möglichst 100-prozentige Wahlbeteiligung zu erreichen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 waren die ersten Maßnahmen der Militärregierung im Kreis Haßfurt die Wiederbelebung des Roten Kreuzes. Wie die Sanitätskolonne Zeil betreute man in anderen Städten des Landkreises die Kriegsheimkehrer mit Geld- und Sachspenden. Außerdem bekamen die Russlandheimkehrer je 20 der begehrten Ami-Zigaretten. Große Bedeutung hatte der Suchdienst, der unzählige Vermisstenschicksale aufklärte. Ein Raum im Rot-Kreuz-Museum in Hofheim ist allein dem Suchdienst gewidmet. Ein ganzes Regal ist voll von Büchern mit Namen und Schicksalen aus ganz Deutschland. Bis 1955 hatte allein der BRK-Kreisverband Ebern 727 Heimkehrer befragt, wobei 45 Vermisstenschicksale geklärt werden konnten.

In den Nachkriegsjahren verteilten Rotkreuzhelfer beispielsweise Schreibhefte an Schulkinder. Die mussten wegen Papiermangels oft auf Rückseiten ausgedienter Kassenbücher, ja sogar auf Zeitungsrändern schreiben. 1948 wurden 3450 Aufsatzhefte, 1000 Bleistifte und eine größere Menge Schul- und Lehrmaterial an die Schulen des Landkreises verteilt. Die Gaben stammten aus den USA. In den 50er Jahren spendierte der Gutspächter Oskar Märkel in Mariaburghausen alle Jahre ein Hammelessen im Haßfurter Rot-Kreuz-Heim als Dankeschön für die Helfer.

Der Aufbau des Roten Kreuzes im Kreisverband Haßfurt ist eng mit seinem langjährigen Vorsitzenden, Aquilin Markl aus Zeil, verbunden. Er hat der Bevölkerung die Wichtigkeit dieser Organisation vor Augen geführt. So konnte er im Jahr 1959/60 durch die opfervolle Mithilfe seiner Helfer ein Rot-Kreuz-Haus in Haßfurt bauen.

Beschäftigte das Rote Kreuz im Jahr 1973 zwölf Angestellte, so hat sich die Zahl seitdem mehr als verzehnfacht. Die meisten Hauptamtlichen sind im Rettungsdienst tätig. Aushängeschild ist der Blutspendedienst, der erstmals im Raum Ebern 1959 und im Kreis Haßfurt 1963 tätig wurde und seit 30 Jahren in Bayern an der Spitze steht. Seit den 70er Jahren gibt es Essen auf Rädern. Seit 1999 betreut der Kreisverband im Goßmannsdorfer Tor in Hofheim eines von 16 Rot-Kreuz-Museen in Deutschland. Neben den Hauptamtlichen gibt es rund 1900 aktive Rot-Kreuz-Helfer. Hinzu kommen circa 150 geringfügig Beschäftigte und Auszubildende. Daneben hat der BRK-Kreisverband Haßberge 128 Fahrzeuge im Dienst und zählt über 12 200 Fördermitglieder. Der Rotkreuzgedanke hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt.
Quelle: mainpost.de

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