Dienstag, 22. März 2011

Lückenbüßer

Ohne Freiwillige droht ein milliardenschweres Loch

109,5 Millionen € müsste die Republik Österreich im Budget vorsehen, würde sie jede Stunde, die Freiwillige in Österreich leisten, mit 20 € entlohnen - pro Woche wohlgemerkt. Und ohne Berücksichtigung allfälliger Lohnnebenkosten und Sozialabgaben.

Zum Jahr der Freiwillgen sind sich Österreichs Unternehmer einig: Auf die Frage, wie wichtig freiwilliges Engagement außerhalb des Berufes ist, antworten deutlich mehr als 80 % der Befragten mit sehr wichtig bzw. ziemlich wichtig. Auffallend: In kleineren Firmen mit ein bis fünf Mitarbeitern ist die Ausprägung mit "sehr wichtig" (57,1 %) höher als in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern (43,2 %). Die Firmen sind aber auch bereit freiwilliges Engagement ihrer Mitarbeiter zu unterstützen: So geben etwa 72% an durch die Bereitstellung von Sachspenden oder Sponsoring, das Engagement zu unterstützen. 42 % gewähren ihren Mitarbeitern für Fortbildungsmaßnahmen im Rahmen der freiwilligen Tätigkeit eine Bildungskarenz, weitere 40 % gewähren eine zeitweise Freistellung. Das ergab eine im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz durchgeführte Umfrage.
Ganz so einfach, wie die Umfrage das glauben machen will, ist die Situation aber dann doch wieder nicht. Vor allem tagsüber ist es problematisch genügend Personen für Einsätze zur Verfügung zu haben. Zwar gibt es Anreize für Unternehmen, ihre Mitarbeiter für die Einsätze frei zu stellen - so übernimmt etwa in einigen Bundesländern der jeweilige Katastrophenfonds die Kosten für den Ausfall des Mitarbeiters, wenn dieser drei Tage weg bleiben muss - doch vor allem bei kleineren Betrieben greift diese Regelung zu kurz. Sie sind auf jeden Mitarbeiter angewiesen.

Zur gleichen Zeit entwickelt sich die Anzahl der Stunden, die Freiwillige zur Verfügung stellen rückläufig. Das zumindest ergibt der 2009, in Vorbereitung auf das heuer von der EU ausgerufene Jahr der Freiwilligen, publizierte Freiwilligenbericht. Laut einer im Bericht zitierten Studie aus dem Jahr 2000 leisteten die Österreicher/innen damals wöchentlich 16,7 Millionen Arbeitsstunden auf freiwilliger Basis. 2006 lag die wöchentliche Stundenzahl inklusive der informellen Freiwilligenarbeit (6,77 Millionen Stunden) nur mehr bei 14,69 Millionen. Ein Minus von knapp 12 %. Zu den wichtigsten Gründen die 2006 gegen ein freiwilliges Engagement sprachen zählten neben der Auslastung durch familiäre Aufgaben (68,6 %) die Vereinbarkeit mit dem Beruf (45,1 %). Der Bericht zeigt auch ganz deutlich ein Stadt-Land-Gefälle auf. Städte weisen mit 18,4 % eine deutlich niedrigere Beteiligung auf als ländlichere Gebiete mit 34,2 % Beteiligung. In der Großstadt Wien ist das Engagement mit 14,3 % nochmals niedriger als in anderen Städten.

Der Rückgang des freiwilligen Engagements könnte schon bald auch zu einer finanziellen Belastung werden. "Würde man jede Arbeitsstunde des Roten Kreuzes mit 20 Euro verrechnen, dann wären das 210 Millionen Euro", rechnet Andrea Winter vom Roten Kreuz vor. 10,5 Millionen Stunden investierten Rot Kreuz-Helfer allein im Jahr 2010. Weitere 2,8 Millionen Stunden standen die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren im Einsatz. Auch wenn es sich dabei wohl um die beiden größten auf Freiwilligkeit aufbauenden Organisationen Österreichs handelt, decken sie nur einen Bruchteil jener Stunden ab, die Österreicher/innen in ihrer Freizeit für Katastrophenhilfe, Kultur, Umwelt, Soziales, Poltik, Gemeinwesen und Bildung gratis zur Verfügung stellen. Ganz abgesehen von den Bereichen Religion und Sport, die ebenfalls von den Freiwilligen getragen werden.

Der Hut brennt

Schon 2008 warnte der oberösterreichische Rechnungshof in einem Bericht, dass eine Auflösung mehrerer freiwilliger Feuerwehren zu katastrophalen Verhältnissen führen könnte. Derzeit kann im Betreuungsbereich von 10 km binnen 12 Minuten erwartet werden, dass ein Einsatzfahrzeug vor Ort ist. Der Rest kann innerhalb von maximal 20 Minuten abgedeckt werden. Sollte sich die Situation in Zukunft weiter so entwickeln wie in der Vergangenheit, kann das bisherige Versorgungsnetz nicht aufrecht erhalten werden. Der Rechnungshof befürchtete mit dem Auflösen von Feuerwehren zu Verhältnissen zu gelangen, wie sie in vielen anderen Ländern herrschen. Dort kann es dazu kommen, dass Menschen in Not eine Stunde oder mehr auf Hilfe warten.

Welchen enormen - auch finanziellen Beitrag - Österreichs Freiwillige zum Funktionieren des Gemeinschaftwesens leisten, ergibt eine simple Hochrechnung. Legt man als Stundenlohn jene 20 Euro zugrunde, die Andrea Winter vom Roten Kreuz nannte, so müsste der Staat in seinem Haushalt satte 5,7 Millionen € zur Seite legen, um jene Leistungen zu entlohnen, die von Freiwilligen in den Bereichen Katastrophenhilfe, Kultur, Umwelt, Soziales, Politik, Gemeinwesen und Bildung zur Verfügung gestellt wurden. Das Loch in der Staatskasse würde allein 2011 von 7,57 auf 13,26 Milliarden € explodieren.