Das Thema Katastrophenschutz wurde in Japan bisher immer großgeschrieben. Es gab durchdachte Krisenpläne und regelmäßige Katastrophenübungen für die gesamte Bevölkerung. Maßnahmen, die viele Menschen auch vor dem schlimmsten bewahrt haben dürften. Die Schwere des Ereignisses macht es deutlich.
In Japan ist nichts mehr, wie es war. Mehr als eine halbe Millionen Menschen sind obdachlos oder mussten vorübergehend ihre eigenen vier Wände verlassen. Viele haben all ihr Hab und Gut verloren, sind verletzt oder erkrankt. Darüber hinaus kommt es immer wieder Stromabschaltungen, lebenswichtige Ressourcen wie Lebensmittel und Wasser sind knapp, doch die unsichtbare Bedrohung durch die lebensbedrohliche radioaktive Strahlung „überstrahlt“ alle anderen Ereignisse, Millionen Menschen fliehen aus der bedrohten Hauptstadt Tokio in den Süden der Insel.
Die Hilfe für die betroffene Bevölkerung läuft auf Hochtouren. Die Stunde der Katastrophe ist einmal mehr die Stunde der Helfer. „Vom japanischen Roten Kreuz sind seit Tagen Zig-Tausende Helfer nahezu ohne Pause im Einsatz, um die Opfer in den betroffenen Regionen zu versorgen“, berichtet Andrea Winter, Pressesprecherin des Österreichischen Roten Kreuzes. Auch wenn sich die Rettungsarbeiten schwierig gestalten. Die Rotkreuz-Mitarbeiter vor Ort sind versiert und sowohl mit Ausrüstung als auch Personal gut ausgestattet. „Doch selbst sehr erfahrene Helfer sind über das Ausmaß der Katastrophe erschüttert“. Was sich in diesen Tagen wieder einmal mehr zeigt: Freiwilliges Engagement ist wichtiger als je zuvor. Neben den 55.000 hauptberuflichen japanischen Rotkreuz-Mitarbeitern, darunter auch viele Ärzte und Psychologen, gibt es mehr als zwei Millionen erfahrene und gut ausgebildete Freiwillige Rotkreuz-Helfer. „Sie leisten jetzt wichtige Hilfe im Katastrophengebiet“, weiß die ÖRK-Mitarbeiterin. Und das obwohl viele von Ihnen erst Tage zuvor von dem Hilfseinsatz nach dem Erdbeben im neuseeländischen Christchurch zurückgekehrt sind. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des japanischen Roten Kreuzes unterstützen die professionellen Einsatzkräfte dabei in vielen wichtigen Belangen.
Einer der freiwilligen Rotkreuz-Helfer steht vor nichts als Trümmern, Zerstörung soweit das Auge reicht. Trotzdem versucht er zu helfen. Familie, Freunde und Bekannte des Mannes haben das Beben unverletzt überstanden. „Jetzt versuche ich meinen Landsleuten zu helfen, die nicht in dieser glücklichen Lage sind“, erzählt der 38-jährige. Misuko Sobata, die Sprecherin eines Erkundungsteams schildert ihre Eindrücke von der Krisenregion:“Wir haben so viele übermüdete Menschen gesehen, die auf Pappendeckel-Stücken schliefen, die nichts besaßen als die Kleidung am Leib. An den Wänden waren Zettel an Zettel von Leuten geheftet, die ihre Familien verloren haben. Aber die Menschen bauen sich gegenseitig auf, sie bleiben ruhig, helfen einander, teilen, was sie haben. Sie sind alle geschockt, aber zugleich arbeiten sie zusammen!“
Neben der so wichtigen medizinischen Versorgung, ist es auch von bedeutender Wichtigkeit sich um die Psyche der Menschen zu kümmern. Was die Menschen neben Unterkünften, Essen und Wasser am dringendsten brauchen, sind ihre Liebsten: „Es ist sehr wichtig, den Menschen bei der Suche ihrer Angehörigen zu helfen und Familien wieder zusammenzuführen“ unterstreicht Max Santner, Leiter der internationalen Katastrophenhilfe beim ÖRK. Er hat nach dem Tsunami 2004 für das Rote Kreuz zwei Jahre lang im dortigen Katastrophengebiet Hilfe geleistet und weiß deshalb, wie wichtig es für die Betroffenen ist, zu ihren Familien und Freunden im In- und Ausland Kontakt zu haben. 100.000 Kinder haben in Japan ihr zu Hause verloren und sind obdachlos. „Kinder brauchen in Situationen wie diesen eine ganz besondere Unterstützung“, bringt es eine Krankenschwester auf den Punkt, die gerade einen Säugling füttert, der mit einer kleinen Schramme davon gekommen ist.
Im Bereich der Krisenintervention sind an die 2.400 Mitarbeiter im Einsatz. Viele freiwillige Helfer unterstützen dabei auch die Suche nach Vermissten: „Ich bin zwar kein Arzt oder Krankenpfleger, aber unsere Teams brauchen auch jemanden, der sich um Organisation und Logistik kümmert. Da kann ich meine Fähigkeiten einbringen und Menschen helfen – auch ohne Arzt zu sein.“, erzählt ein junger Mann, der bei der Suche von Vermissten und logistischen Dingen unterstützt. Zehntausende der Freiwilligen verteilen jetzt Hilfsgüter, wie Nahrungsmittel, Wasser und Decken. Vorräte gehen zu Ende und müssen in den kommenden Tagen und Wochen nachgeliefert werden.
„Sobald die japanische Regierung über das internationale Rotkreuz-Netzwerk Hilfe in Form von Personal oder Ausrüstung anfordert, wird es diese bei entsprechender Sicherheitslage auch umgehend geben“, betont Andrea Winter. Die Helfer aus Österreich sind wie viele andere Organisationen auf der ganzen Welt in ständiger Bereitschaft, Hilfsgüter und Katastrophenhelfer nach Japan zu schicken. Im Anlassfall entscheidet das Rote Kreuz in Österreich gemeinsam mit den Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes, welche Hilfsmaßnahmen für die Menschen im Katastrophengebiet in ihrer lebensbedrohlichen Lage zum Einsatz kommen können. Viele Menschen rufen an um ihre Hilfe anzubieten, doch Rotkreuz-Mitarbeiter, die in Katastrophengebiete entsendet werden, sind Katastrophenhilfe-Experten mit langjähriger Erfahrung und umfangreichem Training.
„Derzeit unterstützen wir mit Geldmitteln, damit die Hilfsmaßnahmen des Japanischen Roten Kreuzes finanziert werden können“, sagt ÖRK-Generalsekretär Wolfgang Kopetzky.
Quelle: Rotes Kreuz