Negativschlagzeilen über Blutverschwendung an Spitälern haben Spender verunsichert
Wien. Alle drei Minuten verlässt eine Blutkonserve die Zentrale des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) in Wien-Wieden. Jährlich fordern die Spitäler rund 450.000 Konserven an – und es werden stetig mehr. 2020 wird der Bedarf laut Gesundheitsministerium um 47 Prozent höher als die Versorgung sein, weil die Bevölkerung älter wird. Das Fatale daran ist, dass gleichzeitig immer weniger Menschen Blut spenden. Seit Beginn des Jahres ist deren Zahl um zehn Prozent zurückgegangen, wie Werner Kerschbaum, stellvertretender ÖRK-Generalsekretär, am Mittwoch vor Journalisten erläuterte.
Schuld daran seien die negativen Schlagzeilen, die heuer gleich mehrmals rund um das Thema Blutkonserven in den Medien kursierten. Zuerst war es eine Studie des Gesundheitsministeriums, die Anfang März die Spitäler mit dem Vorwurf, Blut zu verschwenden, konfrontierte. Die Erhebungen betrafen die Jahre 2008 bis 2010: Laut Projektleiter Johann Kurz vom Gesundheitsministerium hätte nur jede zweite Blutkonserve verabreicht werden müssen.
Das zweite Mal war es ein Rechnungshofbericht, in dem das Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH) massiv kritisiert wurde: Rund 3000 Blutkonserven im Wert von knapp 400.000 Euro seien hier vernichtet worden, weil nicht nachgewiesen werden konnte, ob sie korrekt gelagert waren.
"Verdienen am Blut"
"Die Spender sind verunsichert", so Kerschbaum, "weil sie von der Wichtigkeit ihres Blutes nicht mehr überzeugt sind." Derzeit spenden nur 3,4 Prozent der Bevölkerung regelmäßig. Jeder ab 18 Jahren darf sich bis zu fünf Mal jährlich 465 Milliliter Blut abnehmen lassen – für ein Paar Würstel, Schnitten, ein Glas Rotwein, Bier oder Cola.
Geld gibt es dafür keines. Das RK hingegen verkauft ihre Konserven um 130 Euro pro 250 Milliliter. "Sie verdienen am Blut Freiwilliger", kritisiert Hans Gombotz vom AKH Linz, der an der Studie des Gesundheitsministeriums mitwirkte. "Daher fürchten sie um ihre Spender und ignorieren die Blutverschwendung." Und das, obwohl Fremdblut nicht immer lebensrettend, sondern mitunter gefährlich sei, wie am Mittwoch auch die Plattform Patientensicherheit betonte.
"Wir betreiben sicher keine Geschäftemacherei, sondern agieren gemeinnützig und finanzieren jedes Gerät selbst", rechtfertigt sich Kerschbaum. Kein einziger Euro komme aus öffentlicher Hand. Dass die Spender kein Geld erhalten, sei notwendig, um maximale Sicherheit zu bieten. "Das Risiko, Krankheiten zu übertragen, ist laut WHO bei unbezahlten Spendern am geringsten", ergänzt Wolfgang Mayr, medizinischer Berater des RK. Außerdem werde das Blut etwa auf Aids-Viren getestet und aufbereitet, was mit Unkosten verbunden sei.
Auch dem RK ist es laut Kerschbaum ein Anliegen, mit dem "kostbarsten aller Säfte" sparsam umzugehen. So seien etwa bei lange geplanten Eingriffen Einsparungen von 50 Prozent möglich. Indem man zum Beispiel Patienten, die unter Blutarmut leiden, vor der Operation mit Eisenpräparaten therapiert, damit sie nicht die doppelte Menge an Konserven brauchen.
Bei Notfällen könne man hingegen nicht auf Blut verzichten. Hier müsse die Gesamtmenge, die benötigt werden könnte, von der Lagertemperatur von sechs Grad Celsius auf Raumtemperatur gebracht werden – auch, wenn sie danach entsorgt wird. Das gleiche Schicksal ereilt jede Blutkonserve nach 42 Tagen: Dann ist ihr Ablaufdatum erreicht.