Die Firma Leitl hat gegen den Kollektivvertrag verstoßen und muss Strafe zahlen. Chronologie einer skurrilen Geschichte.
Die Sache ist wohl einigermaßen unangenehm. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl verweigert denn auch jede Stellungnahme. Was für einen Mann, der sich üblicherweise kein Blatt vorm Mund nimmt, höchst ungewöhnlich ist. Aber wenn es um das oberösterreichische Familienunternehmen „Bauhütte Leitl-Werke“ geht, bleibt Christoph Leitl unerbittlich – obwohl er dort stellvertretender Aufsichtsratschef ist. Kein Kommentar also. „Die Presse“ möge sich bitte schön an Geschäftsführer Andreas Gibus wenden.
Gibus ist über die Anfrage auch nicht sonderlich erbaut. Aber was soll's – es ist, wie es ist: Das firmeneigene Ziegelwerk am Standort Eferding hat gegen die Bestimmungen des Kollektivvertrags verstoßen. Und musste deswegen unlängst einen nicht geringen Geldbetrag berappen. Die genaue Höhe will Gibus nicht verraten. Dem Vernehmen nach handelte es sich um rund 150.000 Euro.
Der Betrag ist natürlich zu verschmerzen, immerhin macht die Leitl-Gruppe mit rund 300 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 60 Millionen Euro. Und profitabel wirtschaftet die Gruppe natürlich auch. Aber hochnotpeinlich ist das Ganze halt schon. Merke: Das Familienunternehmen eines Spitzenvertreters der Sozialpartnerschaft hat sich nicht an den (sozialpartnerschaftlich ausverhandelten) Kollektivvertrag gehalten. So etwas soll natürlich nicht an die große Glocke gehängt werden.
Obwohl das auch durchaus Charme hat. Denn dass der Wirtschaftskammer-Chef auf Tuchfühlung mit der österreichischen Bürokratie geht, hat auch seine positiven Seiten. Sagen wir es so: Christoph Leitl durfte nun hautnah erleben, wie seltsam es im österreichischen Wirtschaftsleben zugehen kann.
Und skurril ist die Geschichte allemal. Es ist nämlich so, dass 27 Mitarbeiter im Leitl-Werk Eferding Schichten von elf Stunden absolviert haben. „Das war bei uns immer schon so“, sagt Gibus. Er ist seit dem Jahr 2002 Geschäftsführer in dem Unternehmen und hat sich vorsichtshalber auch beim Betriebsrat erkundigt. Der ist ähnlich ratlos: Den elfstündigen Schichtbetrieb habe es eigentlich „immer schon“ gegeben – jedenfalls schon so lange, dass er sich nicht erinnern könne, wann man damit angefangen habe.
Und warum? „Weil die Mitarbeiter das so wollten“, erklärt der ziemlich verdatterte Gibus. Der Geschäftsführung sei es eigentlich egal gewesen. Hauptsache, es wird rund um die Uhr produziert. Die Mitarbeiter hätten sich die Elf-Stunden-Schicht gewünscht. Weil es für sie so auch viel angenehmer sei: „Sie hatten dann ein paar Tage in der Woche frei“, erklärt Gibus, „und das ist ihnen immer lieber gewesen, als jeden Tag ins Werk fahren zu müssen.“
Einleuchtend. Aber trotzdem nicht erlaubt. „Unser Kollektivvertrag sieht eine maximale tägliche Arbeitszeit von neun Stunden vor“, weiß Gibus seit Kurzem. Und da fährt die Eisenbahn drüber.
Lustig ist, dass mit der Leitl-eigenen Handhabung der Arbeitszeiten jahrelang niemand ein Problem hatte – auch nicht die Behörden. Heuer schon. Weil die Arbeitszeitflexibilisierung (Stichwort: Zwölf-Stunden-Tag) ein so heiß diskutiertes Wahlkampfthema war? Wie auch immer: Bei der letzten „Gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben“ ist das ungewöhnliche Arbeitszeitmodell im Leitl-Werk dann doch überraschenderweise aufgeflogen.
Zum besseren Verständnis: Diese Prüfung ist Anfang 2003 eingeführt worden und galt gleichsam als Meilenstein in der unermüdlichen Entbürokratisierung des Landes: Dabei wird nämlich die Prüfung der Sozialversicherung, der Lohnsteuer sowie der Kommunalsteuer nur mehr im Rahmen eines Vorgangs vorgenommen – und zwar von einem Prüforgan aus dem Bereich der Sozialversicherung oder der Finanzverwaltung.
Eine herrlich einfache Sache also. Für die Leitl-Mitarbeiter hat sie das Leben freilich deutlich komplizierter gemacht.
In Eferding sind lange Gesichter jetzt jedenfalls an der Tagesordnung: Die Geschäftsführung ist eher nicht so glücklich darüber, dass sie die „Mehrarbeit“ in Form von Überstundenzahlungen abgelten musste. Und zwar rückwirkend für die vergangenen sechs Jahre. Die Mitarbeiter wiederum sind wegen des „neuen“ Arbeitszeitmodells ordentlich frustriert. Sie dürfen jetzt nur mehr maximal acht Stunden pro Tag im Ziegelwerk arbeiten, was keiner wollte. Sogar die Gewerkschaft sei einigermaßen irritiert, sagt Gibus.
Aber wenigstens ist dem Gesetz Genüge getan worden.
Übrigens ist es heuer nicht das erste Mal, dass die Sozialpartnerspitze Erfahrung mit der erbarmungslosen heimischen Bürokratie machen durfte. Im April traf es steirische Funktionäre der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer gleichermaßen.
Wie das? Das Arbeitsinspektorat hatte beiden einen (natürlich unangemeldeten) Besuch abgestattet. Und hatte bei beiden Beanstandungen zu Protokoll gebracht. Es ging dabei vor allem um lückenhaft geführte interne Dokumentationen. Jawoll: Arbeiter- und Wirtschaftskammer hatten es verabsäumt, die Aktivitäten ihrer Arbeitsmediziner minutiös festzuhalten. Auch hatten sie nicht schriftlich dokumentiert, wie ihre Kantinenbetreiber und Reinigungskräfte es mit dem Arbeitnehmerschutz halten. Teufel auch.
Immerhin hatte das Ganze freilich auch sein Gutes. Der steirische Arbeiterkammer-Direktor, Wolfgang Bartosch, an sich Hüter und Verfechter von Arbeitnehmerinteressen, meinte nach seinem Intermezzo mit dem Arbeitsinspektorat: „Ich habe jetzt eine Vorstellung davon bekommen, wie es Unternehmen geht.“
Das ist doch schon was.
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