Sonntag, 12. August 2012

sommerloch

LINZ. Nach links, nach rechts oder doch im Eiltempo in der Mitte durch? Die seit Jahresbeginn verpflichtende Bildung einer Rettungsgasse auf den Autobahnen und Schnellstraßen hinterlässt nicht immer die Lücke, die von den Einsatzfahrzeugen benötigt wird.

Das Verkehrsministerium hat viel Geld für die Werbekampagnen in Österreich und den Nachbarländern in die Hand genommen. Noch ist die Botschaft aber nicht bei allen angekommen, die Polizei straft – wenn Zeit ist – ab. „Es wird aber immer besser, und auf zweispurigen Straßen funktioniert sie zu fast 90 Prozent. Wo sie nicht immer gut funktioniert, sind Ballungsräume und mehrspurige Straßen“, sagt Asfinag-Sprecher Christoph Pollinger. In Oberösterreich sind die Erfahrungen sehr unterschiedlich:
„Auf der A7 im Stadtgebiet von Linz funktioniert sie insbesondere in den Stoßzeiten sehr gut, was auf die vielen Pendler zurückzuführen ist. Auf der dreispurigen A1, die wechselndes Publikum hat, funktioniert sie nicht. Und wenn sie nicht funktioniert, ist auch der Pannenstreifen belegt und alles verzögert sich“, sagt der oberste Verkehrspolizist Josef Reiter.

Einen positiven Eindruck hat das Rote Kreuz: „Bei uns sind bisher keine Beschwerden eingelangt, dass sie nicht funktioniert“, sagt Landesrettungskommandant Christoph Patzalt. Ganz anders stellt sich die Situation für die Freiwilligen Feuerwehren entlang der Innkreisautobahn dar: „Tatsache ist, dass es bei uns schlecht funktioniert. Mitverantwortlich dafür ist sicher der Schwerverkehr, der viel Platz zum Manövrieren braucht. Und der ist nicht da, wenn sie zu knapp auffahren“, sagt Fritz Prenninger, Bezirksfeuerwehrkommandant in Ried.

Kaum Platz für große Fahrzeuge

Das System sei toll für die Einsatzkräfte, aber nur wenn es funktioniere. „Früher waren wir nicht verwöhnt, weil die Pannenstreifen teilweise so schmal sind. Es war aber allemal besser als mit der Rettungsgasse, die selten funktioniert.“ Je größer die Einsatzfahrzeuge, umso schwieriger werde es. „Ein Notarztauto kommt schnell mal durch, aber wenn wir mit Kran oder anderen großen Fahrzeugen vorbei müssen, wird’s kompliziert“, sagt Prenninger und beklagt, dass die Pannenstreifen nur schlecht ausgenutzt werden und oft nur Rettungsgasserl entstehen.

„Es ist eine verzwickte Situation, wenn du weißt, da sind Menschen eingeklemmt und du kommst nicht voran.“ Dann werden Feuerwehrmänner zu Fuß vorgeschickt, um die Lenker einzuweisen und den nötigen Platz zu schaffen. „Da gibt’s auch Leute, die zum Schauen einfach aussteigen und weggehen. Das geht so weit, dass wir die Autos auf die Seite schieben müssen, und das kostet unnötig Zeit und Kraft.“

Stimmen aus den Ländern: Probleme mit der Rettungsgasse

"Manchmal funktioniert die Bildung der Rettungsgasse, großteils aber nicht", sagte Adolf Winkler, der Leiter der Landesverkehrsabteilung Kärnten. Erfahrungsgemäß sei es so, wenn die ersten Autofahrer in der Kolonne nicht damit beginnen, dann "wird es nichts mehr", meinte er. Auch die oberösterreichische Exekutive als auch die Feuerwehr orten nach wie vor Probleme mit der Rettungsgasse und treten für eine EU-weit einheitliche Regelung ein.

Auf Pendlerstrecken wie der Mühlkreisautobahn (A7) funktioniere die Rettungsgasse bestens, auf der Westautobahn (A1) dagegen nicht so gut, erklärte der Leiter der Landesverkehrsabteilung der Polizei, Josef Reiter, auf Anfrage. Der stellvertretende Landesfeuerwehrkommandant in Oberösterreich Alois Affenzeller befürwortet das Instrument ebenfalls. Er glaubt, dass man den Autofahrern noch mehr Zeit geben muss, unter Umständen sollte aber auch gestraft werden.
Es wäre "ein Schuss ins Knie", würde die Rettungsgasse jetzt abgeschafft werden, meinte Fritz Eller, Sprecher des Roten Kreuzes in Tirol. "Wir halten nichts davon", fügte Eller hinzu. Es gebe zwar noch Informations- und Nachschulungsbedarf, die Rettungsgasse funktioniere aber auf der Inntal- (A12) und der Brennerautobahn (A13) gut. Und "Ausreißer" gebe es immer wieder, gestand der Rot-Kreuz-Sprecher ein.

"Zufahrt zu Einsatzorten nicht verbessert"

"Generell funktioniert die Rettungsgasse auf zwei Spuren fast zu 90 Prozent - auch auf drei Spuren außerhalb der Ballungsräume", sagte der Asfinag-Sprecher für Westösterreich, Alexander Holzedl. Der österreichische Straßenerhalter sei nach wie vor von den Vorteilen der Rettungsgasse im Falle eines Einsatzes auf der Autobahn überzeugt.
Im Bundesland Salzburg wird die Forderung nach einem Aus für die Rettungsgasse nicht erhoben. "Zum Teil funktioniert sie bei uns vorbildlich, dann wieder überhaupt nicht, und so wird es wohl auch bleiben", sagte der Leiter der Polizei-Verkehrsabteilung Friedrich Schmidhuber, der die Diskussion acht Monate nach Einführung für verfrüht hält. "In Deutschland gibt es die Rettungsgasse 30 Jahre, erst kürzlich habe ich in Bayern wieder einen Fall gesehen, da hat sie weit und breit nicht funktioniert. Und bei uns gibt es seit über 50 Jahren ein Alkoholverbot im Verkehr, und trotzdem fahren immer wieder Menschen alkoholisiert Auto."

Ähnlich sieht es Salzburgs Landesfeuerwehrkommandant Leo Winter: "Seit Einführung der Rettungsgasse hat sich für die Feuerwehren in unserem Bundesland die Zufahrt zu Einsatzorten nicht verbessert." Er hoffe aber, dass die Autofahrer das richtige Einordnen ihrer Fahrzeuge noch lernen. "Wenn das in Deutschland 30 Jahre gedauert hat, wird es bei uns nicht von heute auf morgen klappen." Zufriedener zeigte sich das Rote Kreuz. "Es funktioniert meistens recht gut", sagte Tanja Reitmeier, Sprecherin des Landesverbandes.



Die Rettungsgasse

Seit 1. Jänner 2012 ist die Bildung einer Rettungsgasse auf allen Autobahnen und Schnellstraßen Pflicht, wenn sich der Verkehr verlangsamt (unter 40 km/h). Bei zweispurigen Fahrbahnen müssen die Lenker nach rechts oder links ausweichen, bei mehrspurigen müssen die Fahrer der mittleren und rechten Fahrbahnen auf den Pannenstreifen fahren. Die Rettungsgasse gilt auch für Zweiräder.

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