Sonntag, 25. Januar 2015

Aderlass - Ist das Roten Kreuz seinen Angestellten 1,7 Mio schuldig?

1,7 Millionen Euro soll der Dachverband Angestellten vorenthalten haben.

Wien. Dienste bis zu 13 Stunden am Stück, Dienste an Wochenenden, manchmal bis nach Mitternacht. So sieht die Arbeitsrealität in der Blutspendezentrale des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) aus, heißt es in einem von Mitarbeitern verfassten Schreiben, das am Mittwoch die Redaktion erreichte. Den Lohn für unzählige geleistete Mehr- und Überstunden soll der ÖRK-Dachverband seinen Mitarbeitern allerdings vorenthalten haben. Konkret gehe es um 1,7 Millionen Euro, die er diesen schulde.

Diesen Betrag kann Betriebsratsvorsitzender Michael Frenzel gegenüber der "Wiener Zeitung" zwar nicht bestätigen, sehr wohl aber, dass falsch verrechnet und eine hohe Summe nicht ausbezahlt wurde. Und das "obwohl das ÖRK doch immer ,Aus Liebe zum Menschen‘ predigt. Dadurch hätte es eigentlich Vorbildfunktion".

Der Dachverband des ÖRK dementiert. Er beruft sich auf eine Betriebsvereinbarung aus 1984, worauf der Abrechnungsschlüssel der Mehr- und Überstunden basierte. Diese habe bis 2006 "anstandslos funktioniert", sagt Michael Opriesnig, stellvertretender Generalsekretär. Dann, 2006, sei ein neuer Betriebsrat gewählt worden. Und der habe "bestimmte Punkte beanstandet".

OGH-Urteil zu Fehlbetrag
Zentraler Punkt war der Zeitraum der Durchrechnung der Arbeitszeit. Laut Betriebsvereinbarung wurde monatlich durchgerechnet. "Das war der übliche Weg", so Opriesnig. Allein - 1984 gab es die gesetzliche Grundlage zu dieser Art der Durchrechnung noch nicht. Die kam erst 1997.

Auf dieser Tatsache beruht auch ein OGH-Urteil aus dem Sommer des Vorjahres. Eine Mitarbeiterin der Blutspendezentrale hatte einen Fehlbetrag der vergangenen zehn Jahre eingeklagt und schließlich einen fünfstelligen Betrag erhalten. Das Verfahren dauerte vier Jahre.

"Die Betriebsvereinbarung war demnach rechtsungültig", sagt Barbara Teiber von der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) zur "Wiener Zeitung". Doch die Hoffnung vieler Mitarbeiter, dass der ÖRK-Dachverband ihnen nun alle Fehlbeträge zahlen würde, zerbrach. Sie bekamen nichts, bei der GPA-djp werden nun weitere Klagen vorbereitet. "Derzeit sind es etwa zehn", sagt Teiber. "Wenn deren Bearbeitung wieder Jahre dauert, kostet das nur Geld und Ressourcen. Besser wäre, wenn man sich mit dem ÖRK einigen könnte."

Dieses ist allerdings überzeugt, korrekt gehandelt zu haben. Nach dem OGH-Urteil 2014 sei die Durchrechnung umgestellt worden, sie erfolge jetzt täglich. Bereits 2009 habe die Geschäftsleitung ihren etwa 180 Mitarbeitern der Blutspendezentrale zudem einen Vergleich angeboten, den mehr als die Hälfte angenommen hätten. Aus Opriesnigs Sicht ist es heute unmöglich, Mitarbeitern pauschal Fehlbeträge auszubezahlen, "weil wir nicht wissen, bei wem wir welche Ansprüche geltend machen sollen".
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Mitarbeiter fordern Nachzahlung. Zu Unrecht, wie die Hilfsorganisation meint.
Wien. Anfang dieser Woche platzte einem Insider der Kragen. Er schrieb zusammen, was er wusste, und informierte ein Dutzend Medien. Das Behauptete hat das Zeug zum Aufreger: Ausgerechnet das gemeinnützige Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) und die dazugehörige Blutspendezentrale schulden den dort Dienst leistenden Mitarbeitern Entschädigungen für Überstunden im Ausmaß von 1,7 Mio. Euro.

Tatsächlich tobt in der für das gesamte österreichische Gesundheitswesen so wichtigen Einrichtung ein Arbeitsstreit mit den unterschiedlichsten Argumenten. Die Basis dafür bietet eine über 30 Jahre alte Betriebsvereinbarung, die seinerzeit auch der Betriebsrat unterstützte. In ihr ist festgehalten, dass für die Gehaltsabrechnung ein monatlicher Durchrechnungszeitraum heranzuziehen ist. Das sollte flexible Arbeitszeiten ermöglichen. Das Problem: Die Vereinbarung war ihrer Zeit voraus, wäre in der vorliegenden Form rein rechtlich erst ab 1997 möglich gewesen.

Klagen in Vorbereitung

2008 bemerkte das auch der Betriebsrat des ÖRK, der dieselbe Betriebsvereinbarung 24 Jahre vorher für gut befunden hatte, und klagte. 2014 musste die Organisation einer Mitarbeiterin eine fünfstellige Summe nachzahlen. Andere Mitarbeiter wollen diesen Weg nun ebenfalls bestreiten. Das Rote Kreuz hingegen sieht sich im Recht. (awe)

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