Samstag, 1. September 2012

Der Weg zurück ins Leben

Rehabilitation nach Schlaganfall
Zwischen18.000 und 25.000 Österreicher erleiden jährlich einen Schlaganfall. Er ist die häufigste Ursache für Behinderungen im Erwachsenenalter. Rehabilitation mindert die Folgen und erhöht die Lebensqualität.

Drastische Folgen

Nicht oder spät behandelte Schlaganfälle ziehen meist drastische Folgen nach sich: Es kann zu körperlichen Behinderungen wie Lähmungen und Seh- und Gleichgewichtsstörungen kommen. In vielen Fällen ist ein Arm und/oder Bein gelähmt oder nicht belastbar. Häufig kommt es zudem zu Sprach-, oder Sehstörungen und Schluckproblemen. Ein Schlaganfall und seine Folgen können natürlich auch die Psyche schwer belasten. Zwei Drittel der Überlebenden müssen mit bleibenden körperlichen Einschränkungen rechnen, viele von ihnen bedürfen einer lebenslangen Pflege.

Je früher ein akuter Schlaganfall behandelt wird, desto geringer die Auswirkungen. Eine Akutbehandlung innerhalb der ersten Stunden vermindert die Schwere einer Behinderung deutlich. Bei Verdacht auf einem Schlaganfall sollte man unverzüglich ärztliche Hilfe oder die Rettung rufen. Typische Symptome: Plötzliche Lähmung einer Körperhälfte (Arm, Bein, Gesicht), Sprachstörungen, Sehstörungen, plötzliche schwere Schwindelzustände samt Erbrechen, heftiger Kopfschmerz.

Arten des Schlaganfalls

Rund 80 Prozent aller Schlaganfälle werden durch Durchblutungsstörungen des Gehirns hervorgerufen. Weitere Arten eines Schlaganfalls betreffen Blutungen in das Gehirn (Hirnblutung) oder in den Raum zwischen Schädelinnerem und Gehirn.
Risikofaktoren sind vor allem Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, zu hohes Cholesterin, Rauchen, Übergewicht und Herzrhythmusstörungen sowie Herzklappenfehler. Risiko senkend sind nicht Rauchen, Übergewicht vermeiden, viel Bewegung, körperliche Aktivität, kein Alkoholmissbrauch, konsequente Einnahme verordneter Medikamente.

Die Zeit danach - Die Rehabilitation

„Aus einer Tasse trinken, sich die Schuhe anziehen, der Weg auf die Toilette – alltägliche Fähigkeiten wie diese können durch einen Schlaganfall verloren gehen. Handgriffe, Bewegungsabläufe, Schlucken und Sprechen – solch grundlegende Dinge gilt es wieder neu zu erlernen. Um diese grundlegenden Verluste in den Griff zu bekommen und wenn möglich rückgängig zu machen, dafür gibt es die Reha“, sagt Primar Dr. Werner Grabmair, ärztlicher Leiter des Rehabilitationszentrums Wilhering.

Stationen einer Reha

Es wird unterschieden zwischen der Frührehabilitation – sie ist Teil der Betreuung im Akutspital – und der daran anschließenden Rehabilitation in externen, spezialisierten Zentren. Die Frührehabilitation dauert durchschnittlich drei Wochen. Bei Patienten mit nur leichten Beeinträchtigungen kann sie auch ambulant in Tageskliniken durchgeführt werden.
Im Idealfall kommen die Patienten vom Akutspital direkt in ein spezielles Rehabilitationszentrum (Aufenthaltsdauer ist durchschnittlich vier bis sechs Wochen.) Dies geschieht nicht automatisch, sondern muss vom Patienten oder dessen Angehörigen beantragt werden. Die Kosten für die medizinische Rehabilitation trägt die Pensions- oder Krankenversicherung, den Patienten bleibt ein Kostenbeitrag (dieser entfällt bei sozialer Bedürftigkeit).

Reha bedeutet Teamarbeit

Eine Rehabilitation kann Folgeschäden in vielen Fällen deutlich verringern. „Eine erfolgreiche Reha besteht aus Teamarbeit. Ärzte, Pflegekräfte, Fachpersonal aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychologie, Hydrotherapie und Massage sowie die Betroffenen selbst und deren Angehörige arbeiten zusammen und ziehen gleichsam an einem Strang. Je besser das klappt, desto erfolgreicher ist die Reha“, sagt Grabmair.

Ziele einer Reha

Eine Reha hat vor allem das Ziel, die Schäden durch den Schlaganfall zu minimieren. Es gilt den Patienten so weit wie möglich an das Leben vor dem Ereignis heranzuführen und ihm ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Zumeist bestehen die Ziele im Erwerb grundlegender Fertigkeiten wie Gehen und Greifen, Sprach- und Schlucktraining, Verbesserung der Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit. Nach leichteren Schlaganfällen sollen bestimmte Maßnahmen auch die Wiedereingliederung ins Berufsleben ermöglichen.
Die Ziele einer Reha werden individuell definiert, wobei der Patient, die Angehörigen und die Ärzte diese idealerweise gemeinsam festlegen. „Eine Therapie sollte so viele Maßnahen als möglich und sinnvoll beinhalten, aber ohne Überforderung des Patienten. Die Ziele sollten sowohl realistisch als auch für den Patienten motivierend sein“, so Grabmair.

Motivation ist fast alles

Motivation zum Wiedererlernen verloren gegangener Fähigkeiten ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. „Ausschlaggebend ist, ob der Patient den Willen hat, mit aller Kraft und Stück für Stück die Tätigkeiten des Alltags noch einmal zu erlernen“, so Grabmair. Patienten sollten konsequent am Erlernten arbeiten und versuchen, sich immer mehr zu verbessern. Die Rehabilitation ist kein linearer Prozess, sondern sie verläuft in Stufenform. Man muss auch mit Stagnation und selbst mit Rückschritten rechnen, das sollte aber nicht dazu führen, entmutigt mit dem Training aufzuhören.

Bausteine der Reha

Wieder gehen lernen am Lokomat

Je nach den individuellen Schädigungen kommen folgende Therapieformen zum Einsatz.

Physiotherapie: Bewegungen der beeinträchtigten Körperhälfte, Körpergefühl und Koordination werden geschult. „Manche Patienten betrachten die gelähmte Körperhälfte als eine Art Fremdkörper, dem gilt es durch Physiotherapie entgegenzuwirken“, erklärt Grabmair. Physiotherapeuten helfen Bewegungsabläufe wieder zu erlernen, sie schulen das Gleichgewichtsgefühl und beugen Verkrampfungen der gelähmten Muskeln vor. Ergotherapie: So grundlegende Dinge wie Essen, Waschen und Anziehen müssen häufig erst wieder erlernt werden. Einen Knopf oder eine Dose zu öffnen, kann manchmal eine unüberwindliche Hürde darstellen. Ergotherapie hilft dabei, Dinge des Alltags wieder selbstständig zu bewältigen. Logopädie: Ein Schlaganfall führt bei einem Drittel der Patienten zu Sprachstörungen. Durch Logopädie (Sprachtherapie) können diese Defizite reduziert oder gar ausgeglichen werden. Logopädie hilft zudem die häufig auftretenden Schluckbeschwerden zu minimieren. Neuropsychologie: Gedächtnis, Konzentration und Kommunikation werden geschult. Sprache, abstraktes Denken, Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit stehen im Mittelpunkt neuropsychologischer Übungen.
Grabmair betont, dass die Rehabilitation eine lebenslange Aufgabe ist und mit der Entlassung des Patienten aus der Klinik oder dem Reha-Zentrum nicht abgeschlossen sei. „Zuhause muss das Erlernte weiter geübt und praktiziert werden. Nur ein konsequentes Training führt zum Erfolg. Oft macht es Sinn, die Reha-Maßnahme nach ein paar Monaten zu wiederholen“, so der ärztliche Leiter der Klinik Wilhering.

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