Sonntag, 29. September 2013

DEMOKRATIEGAFFER AUF DER GEGENSPUR


Eine der peinlichsten Floskeln von politischen Berichterstattern, Kommentatoren und leider auch von Politikern selbst lautet bei geringer Wahlbeteiligung, dass „Wählerbeschimpfungen jetzt nicht weiter helfen.“ Diese Meinung teile ich ausdrücklich nicht. Im Gegenteil. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine geharnischte Wählerbeschimpfung zur rechten Zeit dringend geboten ist und eine ordentliche Tracht verbaler Prügel keinem der Zeitgenossen schaden kann, die am Wahltag ihren Hintern nicht ins Wahllokal bewegt bekommen. Wie leicht muss es eine Demokratie ihren Bürgern eigentlich noch machen, wenigstens alle vier bis fünf Jahre ihr demokratisches Recht zur Stimmabgabe wahrzunehmen?

.....
Mein Vorschlag zur Erhöhung der Wahlbeteiligung basiert auf einem alten Trick, der irgendwann in den 70er Jahren bei den Verkehrsdurchsagen eingeführt wurde. Bei einem Unfall auf der Autobahn bilden sich häufig Staus auf der gegenüberliegenden Seite durch vor Neugierde platzende Menschen. Irgendwann ging man dann im sonst so nüchternen Verkehrsfunk dazu über, dies auch deutlich zu ächten: „Auf der Gegenseite kommt es zu Staus durch Gaffer.“ Großartig. Wer will schon ein Gaffer sein? Ob es genützt hat, weiß ich nicht, aber jeder wusste woran er war. Niemand kam auf die Idee, die Gaffer zu entschuldigen oder gar die Verkehrswacht oder irgendjemanden sonst für das Gaffertum verantwortlich zu machen. Schuld waren die Gaffer – und damit war die Schuld auch da, wo sie hingehört. Man stelle sich vor die Durchsage hätte gelautet: „Auf der gegenüberliegenden Seite kommt es zu nachvollziehbaren Behinderungen durch Mitbürger, die von ihrem Recht Gebrauch machen, sich selbst ein Urteil über die Lage zu bilden und nicht blind den Einsatzkräften des Roten Kreuzes zu vertrauen.“ Die Presse hätte dann die Einsatzkräfte interviewt mit der Frage, ob sie denn ihre Rettungseinsätze nicht transparenter gestalten könnten, damit nicht immer mehr Fahrer auf der gegenüberliegenden Seite zur Eigeninitiative gezwungen würden und so weiter und so fort.
Warum also nicht auf Nichtwähler, die nichts anderes sind als Demokratie-Gaffer die gleiche Taktik anwenden. Benennen wir die Wahlverweigerer so, wie sie es verdient haben. In der Tagesschau heißt es dann: „Die Wahlbeteiligung sank auf 68,8 Prozent, was Experten auf faule Säcke, wandelnde Hirntote, verwöhnte Bälger und Volldeppen zurückführen“.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle: „Höllenritt“ (dtv 2013) von Frank Stauss
zur Person
Der Sozialdemokrat Stauss ist 48, schwul und mit einem Mann verheiratet, mit dem er sich beim „Berliner Patenprojekt“ um zwei Kinder einer alleinerziehenden Mutter kümmert. Also ein doch eher unkonventioneller Background für einen ÖVP-Wahlkampf. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen