Montag, 19. August 2013

Seiltanz unterm Hackenkreuz

Die Situation für die Herren vom Internationalen Roten Kreuz in Genf war fatal. Seit Beginn des 2.Weltkrieges war allen Eingeweihten klar, was die „Endlösung“ der Judenfrage durch die SS bedeutete. Die Regierung der neutralen Eidgenossenschaft war aber höchst bemüht, Berlin in keiner Weise zu reizen. So mussten die Rot-Kreuz-Helfer eine Doppelstrategie anwenden:
Lebensmittelpakete wurden an KZ-Insassen geschickt, parallel dazu bemühte man sich, in den unterworfenen Satellitenstaaten des „Dritten Reiches“ für Juden zu intervenieren. Freilich war man sich nie sicher, ob die retournierten Empfangsbestätigungen von den Häftlingen oder vom SS-Bewachungspersonal stammten.

In den zwölf Monaten nach der ominösen Wannseekonferenz (Jänner 1942) kamen über drei Millionen Juden ums Leben. Das Rote Kreuz plante zwar einen öffentlichen Protest, doch letztlich scheute es davor zurück. Bis in die Achtzigerjahre lautete die Entschuldigung, man habe zu wenig zuverlässige Beweise gehabt. So hatte auch Papst Pius XII. sein Schweigen begründet: Ein Eklat hätte alle stille Hilfe für Juden nur kompromittiert, ohne damit einen einzigen Juden zu retten. Dieses bewusste Schweigen führte nach 1945 zu einer schweren Krise der traditionsreichen Genfer Institution. Heute ist dies längst vergessen.

Gerald Steinacher. Hakenkreuz und Rotes Kreuz. Studienverlag, 211 Seiten, 24,90 €

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