
Brüssel - Das Österreichische Bundesheer schickt Experten zur Aufbereitung von Trinkwasser in das Katastrophengebiet nach Bosnien-Herzegowina. Das kündigte das Verteidigungsministerium am Freitag in einer Aussendung an.
Das Hilfskontingent wird von der ABC-Abwehrschule und der ABC-Abwehrtruppe gestellt und kann je nach Bedarf aus bis zu 80 Soldaten bestehen. Das Team wird in der Lage sein, bis zu 240.000 Liter Trinkwasser pro Tag zu produzieren und transportieren.
Damit können rund 50.000 Personen versorgt werden. Es soll Mitte kommender Woche in Bosnien eintreffen. Aufgrund der akuten Bedrohung durch ausgeschwemmte Landminen werde das Kontingent durch einen Minensuchtrupp begleitet. Heute, Freitag, werde ein siebenköpfiges Vorkommando zur Erkundung nach Bosnien reisen, hieß es in der Aussendung. Die Entsendung des Kontingents soll beim nächste Ministerrat formal beschlossen werden.
"Wichtiger Beitrag"
"Neben der Zerstörung durch die Überschwemmungen ist jetzt vor allem der akute Mangel an sauberem Trinkwasser eine Gefahr für die Menschen. Wir haben die Experten und das nötige Equipment, um hier zu helfen und werden so schnell wie möglich in den Einsatz gehen", erklärte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der seit dem vergangenen Wochenende mit dem serbischen Premierminister Aleksandar Vucic und dem bosnischen Außenminister Zlatko Lagumdzija in Kontakt steht, bezeichnete die Entsendung des Kontingents als "wichtigen Beitrag, um die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung zu unterstützen".
40 österreichische Soldaten sind im Rahmen der EU-Mission EUFOR/ALTHEA bereits seit vergangenem Wochenende in Bosnien im Kampf gegen die Wassermassen im Einsatz. Das Bundesheer stellte auch vier Hubschrauber zur Verfügung, mit denen mehr als 800 Menschen evakuiert und Notfallkrankentransporte durchgeführt wurden.
Kadaver und Minen
Gefährdung für die Gesundheit der Menschen in den betroffenen Gebieten bringt auch die Seuchengefahr durch die Kadaver Tausender Tiere, die während der Überschwemmungen verendet sind. Bosnien verfügt nicht über ausreichend Anlagen für deren Vernichtung. Zivko Budimir, Präsident der Bosniakisch-Kroatischen Föderation hat am Freitag Kroatien um Hilfe ersucht. Serbien hatte sich schon Anfang der Woche bereit erklärt, Tierkadaver in seinen Anlagen zu vernichten.
Viele Landminen aus den Jugoslawien-Kriegen wurden durch die Fluten fortgespült und landeten an zuvor unverdächtigen Orten. Um den Geruch des Sprengstoffs TNT in den Minen zu erschnüffeln könnten auf dem Balkan nicht mehr nur Spürhunde als Minensucher zum Einsatz kommen, sondern auch Honigbienen. Französische und kroatische Forscher haben Bienen darauf trainiert, den Geruch zu erkennen. Ab Mitte Juni soll ein Feldversuch mit einem ganzen Bienenvolk von rund 30.000 Tieren starten, finanziert aus EU-Mitteln.
Hahn in Serbien
Am Wochenende wird sich der österreichische EU-Regionalkommissar Johannes Hahn ein Bild von den Hochwasserschäden in Serbien machen. Hahn reist auf Einladung der serbischen Regierung in die von den Überschwemmungen meist betroffene Stadt Obrenovac, wie die EU-Kommission am Freitag mitteilte.
Weiters stehen Treffen mit Ministerpräsident Vucic und anderen Regierungsmitgliedern in Belgrad auf dem Programm, bei denen die notwendigen Maßnahmen erörtert werden, um EU-Hilfe aus den Europäischen Solidaritätsfonds, für den Kommissar Hahn zuständig ist, zu beantragen. Hahn will auch die österreichischen Rettungsteams in Serbien treffen.
Geld aus Solidaritätsfonds
Die EU-Kommission könnte im August über konkrete Hochwasser-Hilfen für Serbien und Kroatien aus dem EU-Solidaritätsfonds entscheiden. Dies sagte Hahn am Mittwoch nach einem Treffen mit Serbiens Vizepremier und Außenminister Ivica Dacic und der für die EU-Integration zuständigen serbischen Ministerin Jadranka Joksimovic in Brüssel.
Hahn bekräftigte, dass Serbien für Hilfen aus dem EU-Solidaritätsfonds genauso förderfähig sei wie ein EU-Mitgliedsland. Alles würde bisher darauf deuten, dass die Schwelle von einem Schaden von 170 Millionen Euro im Falle Serbiens überschritten wurde. Es scheine klar, dass das Hochwasser als nationales Desaster einzuordnen sei. Im Falle Kroatiens sei dies noch nicht klar. Kroatien könnte aber auch Hilfen aufgrund eines regionalen Desasters oder als betroffenes Nachbarland erhalten, sagte Hahn.
Nachdem eine ursprünglich für Anfang dieser Woche geplante Wien-Reise des serbischen Ministerpräsidenten Vucic wegen des Hochwassers abgesagt worden war, soll der Besuch nun wahrscheinlich am 4. und 5. Juni stattfinden, kündigte Vucic am Freitag an.
Weniger als zehn Prozent versichert
Wie am Freitag bekannt wurde, sind in Serbien nur etwas mehr als sechs Prozent der Haushalte und acht Prozent des Ackerlandes gegen Hochwasserschäden versichert. Von den katastrophalen Überflutungen sind nach offiziellen Angaben 1,6 Millionen Menschen betroffen.
Auch die meisten Kfz-Eigentümer werden wohl auf den Schäden sitzen bleiben: Von gut zwei Millionen Fahrzeugen in Serbien sind nur rund 150.000 auch kaskoversichert. Techniker wiesen darauf hin, dass bei Autos, die unter Wasser standen, mit einem Totalschaden zu rechnen sei.
Eine Milliarde Euro Schäden
Die Hochwasserschäden wurden von Behörden zunächst mit etwa einer Milliarde Euro beziffert. Nach Angaben von Vucic mussten den ersten Schätzungen zufolge die Stromwirtschaft und die Landwirtschaft den größten Schaden hinnehmen. In der Stromwirtschaft wird dieser vorläufig auf 200 Mio. Euro geschätzt, in der Landwirtschaft auf 500 Mio. Euro.
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