Mittwoch, 29. Januar 2014

Reden, schweigen, Hände halten

Krisenintervention - „Die einen wollen reden, andere schweigen, manche brauchen eine Hand zum Halten“
EFERDING. Es sollte ein glücklicher Urlaub zu zweit werden. Doch letztendlich sitzt die Frau auf dem Bett und hält die Hand ihres von einem Moment auf den anderen verstorbenen Mannes. Sie ist geschockt, aber nicht allein. Uschi Ecker, Bezirkskoordinatorin des Kriseninterventions-Teams des RK Eferding ist die ganze Zeit bei ihr.

„Die Frau ist dagesessen und hat die Hand ihres Mannes gehalten. Sie hat und hat über die schönen Erinnerungen geredet. In so einem Fall ist es wichtig, dass man den Menschen das Gefühl gibt, dass sie alle Zeit der Welt haben, sich zu verabschieden", erzählt Ecker. Eineinhalb Stunden später hatte die Frau ihre Handlungsfähigkeit wiedergefunden und ihren Sohn in der Steiermark angerufen.
„Es ist immer unser Ziel, dass die Betroffenen selbst wieder zu handeln beginnen. Gerade solche Anrufe sind wichtige Schritte, die sie selber machen sollen." Die 48-Jährige blieb noch weitere zwei Stunden bei der Frau, hat ihre Hand gehalten, war da, bis die Familie schließlich eintraf. „Der Sohn war so froh, dass seine Mutter nicht alleine war. Der Dank, dass jemand hier war, ist für mich immer die schönste Belohnung."

Die Lücke dazwischen

Seit 24 Jahren ist die gebürtige Eferdingerin schon beim Roten Kreuz tätig, zuvor als Rettungssanitäterin, seit 2000 beim Kriseninterventions-Team. „Während meiner ersten Ausbildungseinheit habe ich mich an die Situation während meines Rettungseinsatzes erinnert. Als Sanitäter kümmert man sich um die Verletzten und um deren schnellstmögliche Versorgung. Die Angehörigen bleiben im Hintergrund."

Genau hier kommen die Mitarbeiter der Krisenintervention ins Spiel. Sie schließen die Lücke zwischen einem Notfallereignis und der professionellen Nachbetreuung. „Unser Einatz erfolgt unmittelbar nach dem Ereignis, also in der Akutphase und mit Einverständnis der Betroffenen. Die Einsatzorganisationen alarmieren uns und bieten dem Betroffenen an, dass es beim Roten Kreuz jemanden gibt, der für sie Zeit hätte und ob wir dazugeholt werden dürfen." Ein Nein hören die KI-Mitarbeiter kaum. „Wir sind für die Menschen da, wenn das Blaulichtgewitter abgezogen ist und Ruhe einkehrt."

Bedürfnisse erkennen

„Nachdem wir uns über die Fakten informiert haben, treten wir mit den Betroffenen in Kontakt. Dabei ist es sehr wichtig, dass man Feingefühl mitbringt. Man sollte die Bedürfnisse der Betroffenen erkennen können, ohne Fragen stellen zu müssen. Jeder Mensch reagiert nach einem Schockerlebnis anders. Die einen wollen reden, andere schweigen. Manche brauchen eine Hand zum Halten und wiederum andere wollen einfach nur eine Zigarette rauchen."

So unterschiedlich die Bedürfnisse der Betroffenen sind, so unterschiedlich sind auch die Einsatzgebiete der KI-Mitarbeiter. Neben der Betreuung von Betroffenen bei Todesfällen, werden Ecker und ihr Team auch nach Suizidfällen, einer Reanimation, Katastrophen – wie dem Hochwasser 2013 –oder etwa der Überbringung von Todesnachrichten in Kooperation mit der Polizei gerufen. Die Betroffenen müssen nicht verletzt, sondern nur involviert sein.

Die Betreuung danach

Nach der Betreuung durch die KI-Mitarbeiter wird entschieden, ob eine Nachbetreuung durch den Psychosozialen Notdienst (PND) notwendig ist. „Wir bauen eine Brücke, wenn wir merken, dass Freunde und Familie die Situation nicht alleine tragen können." Ein Mitarbeiter des PND meldet sich dann etwa am nächsten Tag bei dem Betroffenen. „Die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, dass die Menschen angerufen werden und nicht selber wo anrufen müssen."

Auch auf die KI-Mitarbeiter wartet eine Nachbesprechung. „Nach jedem Einsatz gibt es ein Gespräch, das zwischen fünf Minuten und einer Stunde dauern kann. Jeder hat seine eigene Methode, wie er die Einsätze verarbeitet. Sicher gibt es Einsätze, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen, aber sie dürfen nicht belasten. Vor allem Suizidfälle gehen nahe, wir sind schließlich alle nur Menschen."

Derzeit arbeiten im Bezirk Eferding zwölf freiwillige Mitarbeiter im Kriseninterventions-Team, zwei weitere möchten die Ausbildung machen. „Unsere Mitarbeiter müssen vorurteilsfrei und gute Zuhörer sein, sie müssen Zugang zu den Menschen finden können, Organisationstalent an den Tag legen und mit dem Tod umgehen können." Infos unter 07272/2400-0
Quelle: Tips

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen